Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
nicht. Da müssen zwei gewesen sein. Aber ich kriege es einfach nicht zusammen. In meinem Gedächtnis ist ein schwarzes Loch von mindestens einer Viertelstunde. Bist du mit dem Auto da?«
»Ja.«
»Regnet es noch?«
»Kaum.«
Dreißig Minuten später standen wir am Hainsbachweg im Heidelberger Norden und sahen uns ratlos um. Das parkähnliche Grundstück, das westlich an Dr. Kamphusens Garten grenzte, war von einem übermannshohen, robusten Zaun aus massiven Eisenstäben umgeben. An den oberen Enden reckten sich Speerspitzen, die vor langer Zeit vielleicht sogar einmal golden geglänzt hatten. Das Grundstück dahinter war schattig und wirkte ungepflegt, das Haus selbst war aus unserer Position nicht sichtbar.
»Wo?«, fragte Theresa.
Ich hob die Schultern.
»Immer noch keine Erinnerung?«
Ich schüttelte vorsichtig den Kopf. »Irgendwie beunruhigend. Man weiß, man war hier, man weiß, es ist irgendwas passiert, aber es ist einfach … gelöscht.«
Wir spazierten ein Stück am Zaun entlang die Straße hinunter. Theresa hatte sich bei mir untergehakt, um mich halten zu können, falls mir plötzlich schwindlig werden sollte. Es klappte jedoch besser als befürchtet. Die frische Luft schien mir gutzutun. Ein feuchtkalter Wind blies von Westen her, aber die Temperatur lag deutlich über dem Gefrierpunkt. Nässesatte Wolken trieben träge über uns hinweg, als suchten sie einen Landeplatz. Manchmal nieselte es ein wenig. Auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Straße parkten Autos. Dahinter eine hohe Mauer aus rötlichem Sandstein, über die große Bäume ihre Kronen reckten.
»Und?« Theresa ruckelte ein wenig an meinem Arm, als könnte sie dadurch mein Gehirn zurechtrütteln.
»Nichts. Nichts. Nichts.«
»Da ist ein Törchen.«
Die in den Zaun eingelassene Tür war so schmal, dass nur ein nicht allzu umfangreicher Mensch hindurchschlüpfen konnte. Theresa vermutete, sie habe früher als Dienstboteneingang gedient.
»Oder für heimliche Liebespaare.«
»Du denkst wirklich immer nur an das Eine.«
Sie lachte fröhlich. »Wie der offizielle Zugang des Anwesens sieht es jedenfalls nicht aus.«
Ich drückte probeweise die Klinke, aber das Liebestor war fest verschlossen. Der dahinterliegende Weg war von matschigem Laub bedeckt und wand sich in gemächlichen Kurven in Richtung Haus, von dem jetzt immerhin das von hohen Backsteinkaminen gekrönte graue Dach zu sehen war.
»Hier vielleicht?«, fragte Theresa.
Wieder einmal zuckte ich die Achseln.
»Da liegt etwas.« Sie bückte sich und hob ein rotes Plastikteil auf. »Könnte ein Stück von deinem Rücklicht sein. Ist es beim Sturz kaputtgegangen?«
»Ich weiß es doch nicht!«, fuhr ich sie an, mäßigte aber sofort wieder meine Stimme. »Entschuldige, ich …«
Sie drückte mir einen kräftigen Kuss auf den Mund. »Würde mich auch nervös machen, so ein totaler Blackout. Aber bald bist du wieder der Alte, du wirst sehen.«
Wir machten kehrt und gingen zurück – nun den Hang hinauf. Jetzt merkte ich, dass ich längst nicht wieder gesund war. Mein Kopf rebellierte schon nach zwei Schritten, und wir mussten immer wieder stehen bleiben, bis mein Puls sich beruhigt hatte. Der hohe Zaun endete, das Grundstück des Ehepaars Kamphusen begann. Hier gab es keine eisernen Gitterstäbe und hohe Bäume, sondern ein kniehohes Sandsteinmäuerchen und Ziergesträuch. Wir bogen auf einen etwa zwei Meter langen, breiten Pflasterweg ein, erklommen drei erstaunlich anstrengende Stufen.
Theresa lief zu ihrem kleinen goldfarbenen Skoda, den sie am Straßenrand geparkt hatte. Wenig später kam sie mit dem Blumenstrauß zurück, den wir auf der Herfahrt gekauft hatten, und der Rotweinflasche, die aus meiner Küche stammte. Ich drückte den Klingelknopf. Innen gongte es würdig und laut.
Es war die Frau, die öffnete.
»Herr Gerlach!«, rief sie strahlend. »Es geht Ihnen schon wieder besser? Und was für wunderschöne Blumen!«
Ich überreichte der für ihr hohes Alter äußerst lebhaften kleinen Dame den Strauß, Theresa gab ihr die Flasche. Nicht nur ihre Stimme klang jung, auch der Blick war wach und neugierig.
»Ich wollte mich herzlich bedanken«, sagte ich. »Es geht mir dank Ihrer Fürsorge wirklich schon wieder ganz gut. Und ich würde mir gerne mein Fahrrad ansehen.«
»Wollen Sie es nicht gleich mitnehmen?«
Dazu war Theresas Skoda zu klein. »Ich hole es, sobald ich selbst wieder Auto fahren kann«, versprach ich.
»Hier stört es nicht, keine
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