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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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waren.
    Zurück im Schlafzimmer hob ich die fast dreißig Jahre alte Akte wieder auf und tippte versuchsweise die im Telefonprotokoll vermerkte Nummer ins schnurlose Telefon. Die Nummer der Nachbarin, die damals Viktoria Hergardens Tod angezeigt hatte. Manche Menschen zogen ja niemals um. Manche Menschen hatten auch nach Jahrzehnten noch …
    »Ja?«, meldete sich eine tonlose Frauenstimme nach mehrmaligem Tuten. »Hallo?«
    Ich räusperte mich. »Frau Holland?«
    »Wer ist da?«
    Die Frau klang, als wäre Deutsch nicht ihre Muttersprache.
    »Spreche ich mit Frau Holland?«
    »Wollen Sie mir nicht erst einmal sagen, wer Sie sind und worum es geht?«
    »Mein Name ist Gerlach. Ich bin Polizist und …«
    Sie klang ein wenig erschrocken, als sie fragte: »Polizei?«
    Nun erschrecken viele Menschen, wenn sie dieses Wort hören, und beginnen sofort, ihr Gewissen nach möglichen Missetaten zu durchforschen.
    »Es geht um einen Unfall im November 1985 …«
    »Davon … ich … weiß nichts.«
    »Sie sind aber Frau Holland?«
    »Nein.«
    »Ihren Namen könnten Sie aber doch …«
    »Ich weiß nichts. Auf Wiedersehen. Danke schön.«
    Knack.
    Dieses Mal legte ich die graue Akte ordentlich auf meinen Nachttisch. Dann löschte ich das Licht und ging in die Küche, um mir doch einen Rotwein einzuschenken. Mit dem Glas in der Hand wanderte ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Die Tagesschau hatte gerade begonnen.
    Um kurz vor zehn trillerte das Telefon im Flur. Ich erhob mich seufzend. Wer rief denn zu dieser unchristlichen Uhrzeit noch an? Ich beschloss, das Gespräch anzunehmen. Meine Töchter waren unterwegs. Da wusste man nie …
    Ich meldete mich mit Namen. Am anderen Ende atmete jemand.
    »Gerlach?«, fragte eine helle Männerstimme, als ich schon dachte, es gäbe eine technische Störung.
    »Ja, Gerlach.«
    »Oh. Verwählt. Entschuldigung.«
    Dann wurde aufgelegt.
    Die Zwillinge tauchten eine halbe Stunde später wieder auf, merklich angeheitert und übermütig. Sie schimpften mehr der Form halber mit mir, als sie das leere Glas entdeckten. Dann erzählten sie mir von zwei Freundinnen, die Internetflatrates für ihre Smartphones hatten.
    »Kostet nicht mal zehn Euro mehr, Paps«, erklärte mir Louise mit sanfter Stimme und gekonntem Augenaufschlag. »Nicht mal zwei fünfzig in der Woche!«
    Auf dem Couchtisch begann das schnurlose Telefon zu randalieren. Sarah nahm es, meldete sich, wie sie es gelernt hatte, mir Vor- und Nachnamen, horchte mit krauser Stirn, legte es wieder weg.
    »Irgendein Idiot, der sich verwählt hat«, kommentierte sie mit der schnellen Verachtung ihrer Jugend.
    »Ein Mann?«
    Sie sah mich irritiert an. »Ja. Wieso?«
    »Wie hat er gesprochen?«
    »Wie ein Idiot.«
    »Ich meine Hochdeutsch, zum Beispiel?«
    »Nö. Typisch Kurpfälzer Holzkopf.«
    Für eine Sekunde war es still. Dann griff Sarah das alte Thema wieder auf: »Und das Internet geht ab wie die Hölle«, erklärte sie mit leuchtenden Augen. »Sogar Youtube-Videos kann man gucken, ganz ohne Ruckeln!«
    »Paps?«, fragte Louise vorsichtig, als ich nicht reagierte.
    »Zwei fünfzig pro Woche?«
    Sie nickten eifrig und völlig synchron.
    Warum sollte man seine Kinder nicht hin und wieder mit einer positiven Antwort überraschen?
    »Ihr kümmert euch aber um alles, okay?«
    »Du brauchst nur deine Kontonummer eintippen«, jubelte Sarah. Sie sprangen auf und rasten in ihre Zimmer, um einen Laptop zu holen und vermutlich die sensationelle Neuigkeit sofort über die virtuelle Welt zu verbreiten.
    »Einzutippen«, seufzte ich ergeben. Aber das hörten sie natürlich nicht mehr.
    Ich beschloss, mich für meine gute Tat mit einem weiteren halben Gläschen Spätburgunder zu belohnen. Meine Mädchen waren glücklich. Sie waren jung. Sie hatten keine Kopfschmerzen. Das Eintippen der Kontonummer war ein Klacks. Und im Grunde wäre jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen, um ihnen zu eröffnen, dass sie seit Neuestem einen Bruder … einen Halbbruder … nannte man das überhaupt
so?
    Ich hörte sie in einem ihrer Zimmer lachen und giggeln. Und beschloss, das Gespräch mit meinen Töchtern auf morgen zu verschieben und ins Bett zu gehen. Schließlich war ich immer noch Rekonvaleszent und brauchte Schonung.
    Wer den ganzen Tag im Bett liegt, schläft nachts oft schlecht. Zwischen wirren Träumen war ich immer wieder aufgewacht, hatte mich hin- und hergewälzt und geärgert, und schließlich war mir eine so naheliegende Idee gekommen, dass

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