Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
entmutigen lassen wird durch die Wahnsinnstat eines Geisteskranken. Solange er stehen und sprechen kann, darf ich Ihnen sagen, so lange wird Grafs Abend leben.«
Sönnchen schniefte ein wenig und knüllte ihr Taschentuch.
»Interviews kann der Herr schon wieder geben. Aber für eine kurze Vernehmung fehlt ihm die Kraft«, maulte ich.
»Er ist nun mal ein Fernsehmensch«, gab Sönnchen mitfühlend zu bedenken. »Sagen Sie, was Sie wollen. Für mich ist er ein Held. Um ein Haar wär er gestorben, und als Allererstes denkt er an seine Zuschauer.«
»Wahrscheinlich denkt er zuallererst an das viele Geld, das ihm am Samstag durch die Lappen geht.«
Ein Blick voll flammender Verachtung traf mich.
»Am Vormittag sind sie übrigens im Haus gewesen, die vom Fernsehen«, berichtete meine bewegte Sekretärin nach kurzer Pause kühl. »Drei Männer und die Frau, die man grad gesehen hat. Sie haben unseren Pressesprecher interviewt. Mit Ihnen wollten sie auch reden. Aber Sie waren ja bei Neulußheim.«
»Glück muss der Mensch haben.«
Das Telefon rief mich zurück an meinen Schreibtisch und auf den Boden der Tatsachen. Inzwischen war es halb vier geworden.
»Wegen der Reifenspur soll ich Sie anrufen«, sagte die verschnupfte Laborantin, mit der ich erst vor einer Stunde gesprochen hatte. »Das war zur Abwechslung mal leicht. Es ist ein Michelin Sommerprofil, Niederquerschnitt. Zugelassen bis zweihundertzwanzig Stundenkilometer. Manche Mercedestypen haben den Typ serienmäßig drauf. Aber auch der Audi A8. Und die großen Volvos.«
Volvo …
Volvo?
Das Filmchen von Theresas Handy fiel mir wieder ein, das immer noch in ihrem Handy schlummerte, weil meine Göttin zwei linke Hände hatte, sobald sie es mit Technik zu tun bekam.
Noch bevor ich einen Finger rühren konnte, klingelte schon wieder das Telefon. Dieses Mal war eine ältere Mitarbeiterin der Spurensicherung am Apparat, die schon kurz vor der Pensionierung stand und für ihre übermenschliche Geduld und Akribie bekannt war. Und für eine gewisse Vorliebe für das Plusquamperfekt.
»Ich hab was!«, verkündete sie stolz. »Bargeld. Fünftausend Euro. Die alte Hexe hatte das Geld verflixt gut versteckt gehabt. Im Gefrierschrank war es gewesen. In einer Packung Buttergemüse, die auf den ersten Blick ausgesehen hatte, als wäre sie noch zu gewesen. Geschickt gemacht, muss ich sagen. Geschickt gemacht.«
»Sind Fingerspuren auf den Scheinen?«
»Jede Menge. Aber ob wir das heut noch schaffen …«
»Es muss sein. Tut mir leid.«
»Eigentlich hab ich aber in zwanzig Minuten Wochenende.«
»Bitte!«
»Na gut. Aber versprechen kann ich nichts!«
Man brauchte nicht viel Phantasie, um zu erraten, woher die runde Summe in Rosalie Jordans Tiefkühlvorräten stammte. Am Dienstagnachmittag war sie nach Ludwigshafen gefahren, vermutlich angeregt durch das Gespräch mit mir, und hatte Graf zur Rede gestellt. Sie verlangte Geld für ihr Schweigen – was immer es da zu verschweigen geben mochte. Wie hatte er ihr das Geld zukommen lassen? Wen hätte er mit einer so heiklen Aufgabe betraut? Warum hatte er sie spätnachts angerufen?
Ich drückte die Direktwahl zu Klara Vangelis und bat sie, mir die Überwachungsvideos aus dem Hotel zu besorgen, die es mit Sicherheit gab.
»Wenn wir Glück haben, sind die Bänder aus der Nacht von Dienstag auf Mittwoch noch nicht überschrieben.«
»Bänder benutzt man heute kaum noch«, wurde ich aufgeklärt. »Heute wird das auf Festplatten gespeichert, und die haben Kapazität für Wochen.«
»Ich will wissen, ob Graf in der Zeit vor Mitternacht das Hotel noch mal verlassen hat.«
Die nächste Nummer, die ich wählte, war eine Handynummer.
»Opelt«, hörte ich die matte Stimme von Grafs Mädchen für alles.
Ich nannte meinen Namen.
»Ich weiß«, erwiderte sie tonlos. »Mein Handy kennt Sie inzwischen.«
»Können wir uns irgendwo ein paar Minuten in Ruhe unterhalten?«
»In Ruhe?« In ihrem Lachen schwang eine Spur Hysterie mit. »Machen Sie Witze?«
»Ich kann mir vorstellen, was bei Ihnen zurzeit los ist.«
»Nein, das können Sie bestimmt nicht. Aber egal. Worum geht es?«
»Wo können wir uns treffen?«
»Am liebsten überhaupt nicht, ehrlich gesagt. Ich bin zurzeit in Ludwigshafen und versuche, irgendwie den Weltuntergang aufzuhalten.«
»Sie kommen im Lauf der nächsten Stunden vermutlich nicht nach Heidelberg?«
»Gewiss nicht, nein.«
»Dann komme ich zu Ihnen. Sagen wir, in einer Stunde?«
Sie atmete zwei,
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