Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
nachdenklich an. »Irgendwas wollte ich noch sagen, aber … Worüber hatten wir eben gesprochen?«
23
Noch bevor ich das Altersheim in Alzey anrufen konnte, in dem die letzte Überlebende der Erbengemeinschaft heute ihre eintönigen Tage verbrachte, meldete sich ein Mitarbeiter des Kriminaltechnischen Labors am LKA in Stuttgart bei mir.
»Definitiv vergiftet also?«, fragte ich sicherheitshalber, nachdem ich dem kurzen Bericht gelauscht hatte.
»Irgendwas war in dem Cognac. Was es war, weiß ich noch nicht.« Der Techniker atmete schwer und klang erkältet. »Ich habe eine Probe des Glasinhalts per Express nach Wiesbaden zum BKA geschickt. Ich hoffe, die Ergebnisse noch im Lauf des Nachmittags auf den Tisch zu kriegen.«
Da ich den Hörer schon in der Hand hielt, rief ich unserer eigenes Labor an, das natürlich nicht annähernd so üppig ausgestattet war wie das in Stuttgart.
»An der Flasche sind logischerweise Fingerspuren von der Toten, aber …« Ein Niesanfall unterbrach die Kollegin, die ebenfalls erkältet zu sein schien. Ich wünschte Gesundheit.
»Danke. Und noch von mindestens drei oder vier weiteren Personen. Einer davon ist vermutlich ein Mann.«
»Bis wann kann ich mit Ergebnissen rechnen?«
»Heute noch«, seufzte die Frau zwei Stockwerke tiefer ergeben und nieste zur Bekräftigung zweimal. »Und noch was: Ich verstehe zufällig was von Cognac. Mein Freund sammelt nämlich alten Cognac. Und diese Flasche … Die Frau hat ja eigentlich nicht ausgesehen, als wäre sie reich gewesen.«
»Sie wollen andeuten, der Cognac war teuer?«
»Sauteuer sogar«, erwiderte die Laborantin. »Für einen zwölf Jahre alten Château de Montifaud müssen Sie ganz schön tief in die Tasche langen. Wenn Sie ihn im normalen Handel überhaupt kriegen. Ich schätze, für so ein Fläschchen müssen Sie fast einen Hunni hinlegen.«
Während des kurzen Gesprächs hatte ein Piepston einen wartenden Anrufer gemeldet. Ich drückte die Taste mit dem roten Hörer und nahm das Gespräch an. Es war einer der armen Kollegen, die in den vergangenen Stunden neben den Bahngleisen bei Neulußheim Schnee geschippt hatten.
»Also …«, begann er grimmig. »Die Sohlenabdrücke haben wir in der Eisschicht ungefähr zwanzig Meter zurückverfolgen können. Dann hören sie urplötzlich auf.«
Im Hintergrund brummte ein Motor. Vermutlich war man auf dem Weg zurück ins gut geheizte Büro.
»Da hatte der Täter wahrscheinlich sein Auto stehen«, vermutete ich.
»Zwei. Zwei sind’s gewesen. Es sind verschiedene Profile. Und mit dem Auto liegen Sie richtig. Wir haben Reifenspuren sichergestellt. Geht gleich ins Labor. Ich hoffe, da ist um die Uhrzeit noch einer.«
»Das darf auf gar keinen Fall bis Montag liegen bleiben!«, fuhr ich den armen Kerl an. »Auch wenn Freitagnachmittag ist, das duldet keinen Aufschub!«
Er stöhnte gequält. »Ich geb’s gleich weiter, versprochen. Wie’s aussieht, ist das ein großer Wagen gewesen. Das waren mindestens Zweihundertfünfzehner-Reifen. Und ich hab jetzt gleich Feierabend. Übers Wochenende geht’s mit meiner Frau und dem Ältesten zusammen nach Paris. Hab schon vor Wochen die Fahrkarten gekauft, für den TGV, und meine Frau freut sich seit einer halben Ewigkeit auf den Eiffelturm und alles. Das versaut mir keiner. Da kann von mir aus mitten in der Altstadt ein Flugzeug abstürzen. Ich bin in acht Stunden in Paris.«
Fahrkarte. Wieder so ein Stichwort, das in meinem Kopf eine Kette von Assoziationen auslöste. Nachdem ich dem Kollegen ein schönes und hoffentlich sonniges Wochenende an der Seine gewünscht hatte, drückte ich die Direktwahl zum Chef der Spurensicherung.
»Eine Fahrkarte?«, fragte er.
»Im Mantel an der Garderobe, ich glaube, in der linken Tasche.«
»Ich sag meinen Leuten, sie sollen nachsehen.«
Nun war endlich Gelegenheit, in Alzey anzurufen. Es dauerte ein Weilchen, bis die alte Frau ans Telefon kam.
»Holland?«, fragte sie mit dünner Stimme und völliger Verständnislosigkeit.
»Oder Graf?«
»Sie hatte zwei Namen?«
»Sie war verheiratet. Holland war ihr Mädchen- und Künstlername.«
»Sie war Künstlerin?«
»Schauspielerin.«
»Mir ist weder der eine noch der andere Name bekannt. Unsere Familie heißt Kornhaupt. Meine Mutter war eine geborene Hertz. Und mein Mann, Gott hab ihn selig, hat Müller geheißen. Schlicht und einfach Müller. Und so heiße ich jetzt auch.«
Herzhaft fluchend knallte ich den Hörer auf den Apparat. Ich war tagelang
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