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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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sah blass und mitgenommen aus. Halb aufgerichtet, aber sichtlich kraftlos lag er in seinem blütenweiß bezogenen Krankenbett. Beide Hände und Unterarme waren dick verbunden. Auf der rechten Wange klebte ein enormes Pflaster, und auch an der Stirn und am linken Ohr schien es ihn erwischt zu haben. Um seine Mundwinkel geisterte trotz seiner zahleichen Verletzungen schon wieder das verschmitzte Lächeln, das alle acht Wochen Millionen Frauenherzen zum Schmelzen brachte.
    »Wie geht es Ihnen heute, Marcel?«, fragte eine mitfühlende Sprecherin aus dem Off. »Unsere Zuschauer machen sich große Sorgen um Sie. Und wir, Ihre Kollegen und Freunde, selbstverständlich auch.«
    Das Lächeln wurde eine winzige Spur breiter, fiel dann in sich zusammen, als hätten Schmerz und Erinnerung den Patienten in die Realität seines Elends zurückgerissen.
    »Nun ja«, erwiderte er heiser, räusperte sich lange und erfolglos. »Den Umständen entsprechend, wie man so treffend sagt.«
    »Sie haben immer noch große Schmerzen?«
    »Es lässt sich aushalten. Man gibt mir ja alle möglichen Mittel. Ich bin hier in guten Händen. In einer der besten Kliniken Deutschlands, wenn nicht gar Europas und …« Die tapfere Stimme erstarb.
    In einer Klinik, in deren Personal er offenbar nicht das geringste Vertrauen setzte.
    »Sehen Sie sich in der Lage, unseren Zuschauerinnen und Zuschauern den Mordanschlag zu schildern?«
    »Sie werden verstehen, dass ich nicht gerne daran zurückdenke. Allein die Erinnerung …«
    »Ihre Fans und Verehrerinnen wären sicher glücklich …«
    Graf räusperte sich erneut. Sein unruhiger Blick fand keinen festen Punkt im Raum. »Im Grunde … Ich kann kaum etwas sagen. Er ist von hinten gekommen. Es war dunkel. Ein Mann, so viel ist sicher. Ein großer, hagerer Mann. Erst habe ich ein Geräusch gehört. Das hat mir vermutlich das Leben gerettet. Ich habe mich instinktiv umgewandt …«
    »Nicht auszudenken, wenn Sie … Mein Gott!«
    Der Patient schloss kurz die Augen. Nickte matt. »Deshalb hat der erste Stich mich am Oberarm erwischt und nicht im Rücken. Ich habe seinen Arm gepackt. Mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft versucht, das Messer von mir wegzuhalten. Mich dabei an allen möglichen Stellen verletzt, geschnitten, gestochen. Ich habe seltsamerweise überhaupt keinen Schmerz gefühlt. Nicht im Geringsten. Es stimmt tatsächlich, was man sagt. Man fühlt nichts in einer solchen Situation. Es war ein Kampf auf … auf Leben und Tod. Mehr Tod als Leben …«
    »Sie haben um Ihr Leben gefürchtet?«, lautete die selten dämliche nächste Frage.
    »Man denkt nicht in einer solchen Situation. Man fürchtet sich nicht einmal. Man kämpft. Wie ein Tier. Ja, wie ein Tier. Da sind nur noch Instinkte. Triebe. Der Trieb zu überleben. Irgendwie zu überleben.«
    »Haben Sie um Hilfe geschrien?«
    »Zeugen sagen Ja. Ich selbst weiß nichts davon. Man reagiert völlig automatisch. Ich weiß nur, dass ich mit ihm gerungen habe. Gekämpft.«
    »Wie lange ging das so?«
    »Sekunden? Minuten? Mir kam es vor wie eine Ewigkeit.«
    »Und dann?«
    »Ich bin gestolpert und gefallen. Dachte, jetzt ist es aus. Das ist es also nun, das Ende. So schnell. So schäbig, im Dreck … Aber plötzlich hat er von mir abgelassen und ist weggelaufen.«
    »Was können Sie unseren Zuschauerinnen und Zuschauern über den Täter sagen?«
    »Groß war er. Glücklicherweise nicht allzu muskulös. Es war meine Rettung, dass er nicht so kräftig war. Sonst läge ich jetzt nicht hier, sondern …« Wieder schluckte der Showstar. Zwinkerte. Zwang die Augen wieder auf. Sah mit verlorenem Blick haarscharf an der Kamera vorbei. »Mundgeruch hat er gehabt, daran kann ich mich merkwürdigerweise erinnern. Es war so schrecklich. So schrecklich …«
    Die Szene brach ab. In der nächsten Einstellung stand die Journalistin, von der man bisher nur die Stimme gehört hatte, vor dem hohen Glas-und-Beton-Gebäude des Heidelberger Krebsforschungszentrums – vermutlich weil es repräsentativer aussah als die äußerlich etwas renovierungsbedürftige Chirurgische Klinik – und hielt ein Mikrofon mit Windschutz in der Hand. Von den Bäumen im Hintergrund tropfte es. Offenbar taute der Schnee schon wieder weg.
    »An dieser Stelle haben wir das Interview auf Geheiß der Ärzte abbrechen müssen. Ich darf Ihnen von Marcel Graf noch die allerbesten Grüße ausrichten und das Versprechen, dass seine Show weitergehen wird. Dass er sich nicht

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