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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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Angst gesprochen. Wie die Männer und Frauen, die die Stufen zur Maschine hinaufstiegen, hatte er gelernt, seine Angst zu verbergen. Das, dachte sie, ist das Geheimnis der Angst.
    Sie blickte zurück zu den Lichtern der Ortschaft. Die Kutschenlampen waren inzwischen näher gekrochen.
    Sie hatte Angst vor dem nächsten Tag, aber sie wusste, dass sie diese Angst verbergen musste.
    Sie trank Wein. Mit angezogenen Knien saß sie und schaute in das dunkle Tal. «Mr.   Skavadale?»
    «Mylady?»
    Sie machte eine Pause, bevor sie ihre Frage stellte. Lange hatten sie gewartet, und jetzt würde Campion sie an diesen zurückgezogenen geheimen Ort führen. Doch zuerst musste er ihr eine Frage beantworten. Sie sah ihn an. «Musste ich wirklich herkommen?»
    Der Wind fuhr durch die Kiefern. Er sah sie nicht an. «Sie mussten herkommen, damit Luzifer kommt.»
    Sie runzelte die Stirn. Er wich ihr aus. «Wir haben sie bereits geschlagen, nicht wahr? Toby lebt, ich lebe, Lazen ist sicher!» Sie starrte ihn an. «Luzifer ist geschlagen, Mr.   Skavadale!»
    «Er lebt noch.» Als er sie anblickte und ihre angespannte Miene sah, wusste er, dass sie von ihm die Wahrheit zu wissen verlangte und dass es ohne diese Wahrheit kein Band zwischen ihnen geben würde. Bis jetzt hatte er sie mit Halbwahrheiten abgespeist, doch jetzt musste er einen Schritt weitergehen. «Sie hätten nicht herkommen müssen, Mylady», sagte er sanft. «Wir hätten Sie schützen können. Wir hätten Larke umbringen können, und das hätte genügt.»
    Sie schwieg. Wahrscheinlich hatte sie die ganze Zeit gewusst, dass sie weder für Lord Paunceley hierhergekommen war noch, um die Gefallenen Engel zu besiegen, sondern um mit diesem Mann zusammen zu sein.
    Er lächelte. «Aber wir wollen Luzifer.»
    «Selbstverständlich.»
    Als wollten sie einander versichern, dass sie gar nicht die Absicht hatten, an den geheimnisvollen Ort der Liebe zu gehen, wo nur die Wahrheit zählte. Immer noch waren sie höflich miteinander, hatten Angst vor dem zitternden Augenblick.
    Die Kutschenlampen krochen in das Dorf Auxigny hinein. Über dem Rauschen des Wasserfalls hörte Campion den Flügelschlag einer Eule. Sie glaubte, den Vogel drohend über den dunklen Himmel gleiten zu sehen, einen nächtlichen Jäger, der im Tal nach Blut suchte.
    Das Schweigen dehnte sich aus. Sie starrte auf ein kleines, gelbliches Licht unten im Ort, das schwach funkelte wie ein Stern, manchmal zu verschwinden schien und dann wieder heller leuchtete.
    In der Stille wandte sie sich zu ihm und sah, dass er sie anschaute. Niemand sprach.
    Campion hatte gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde, und jetzt, wo er da war, war sie befangen. Ein ganzes Jahr lang hatte sie von diesem Mann geträumt, Träume so verboten wie die Lust, und jetzt war sie mit ihm hoch oben über der Welt an einem geheimen Ort, an den er sie, wie sie wusste, mit Absicht geführt hatte.
    Sie wandte sich von ihm ab, schaute auf das winzige, flackernde Licht in der Ortschaft und dachte daran, wie sie in dieser ganzen Geschichte immer wieder von Männern benutzt worden war. Von Luzifer, von Culloden, von Paunceley, selbst von dem Mann, der jetzt neben ihr saß. Bei dem Gedanken schauderte ihr. Sie hatte eine Welt des Verrats und der Schatten betreten, eine Welt, in der der Zigeuner jagte wie die Eule, die sich in den großen dunklen Abgrund stürzte. Zum Zweck der Jagd hatte er sie an diesen einsamen Ort zwischen Felsen und Wasser gebracht.
    Mit der Hand fuhr er über den Fels. «Waren Sie je auf der Fuchsjagd?»
    «Ja.»
    «Ich erinnere mich noch an meine erste Jagd. Damals hatte ich Angst.» Sie unterbrach sich, und der Zigeuner hütete sich, etwas zu sagen. Mit großen Augen blickte sie über das Tal. «Ich war noch ein Kind, und sie nahmen mich mit an die Stelle, wo der Fuchs getötet worden war. Dort haben sie mich mit Blut beschmiert.» Sie wandte sich um und schaute ihn fast trotzig an. «Mein Vater hat dem Fuchs die Rute abgeschnitten und mir das Blut auf die Wangen geschmiert. Ich hätte aufgeregt sein müssen. Jedes Kind will dieses Ritual mitmachen, doch ich fand es abscheulich. Mir hat der Fuchs leidgetan.» Im Dunkeln machte er eine Geste mit den Händen, doch was diese Geste bedeuten sollte, erriet sie nicht. «Wissen Sie, was ich damit sagen will?», fragte sie.
    Er lächelte sie an, seine Zähne hoben sich weiß von seiner dunklen Haut ab. «Ich weiß, dass Sie immer noch auf die Jagd gehen.»
    «Ja.» Sie machte eine Pause.

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