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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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darüber und schämte sich. Dann nahm sie Edna bei den Schultern, drehte sie um und schob sie zur Tür. «Gehen Sie zurück. Amüsieren Sie sich. Vielleicht finden Sie Ihren Franzmann!»
    Sie wartete, bis die junge Frau gegangen war und es im Flur ganz still war. Dann verschloss sie die Schlafzimmertür, ging zum anderen Ende des Raums und schloss die Tür auf, die zur Galerie führte.
    Ihr Herz klopfte, als blickte sie dem Tod ins Auge. Was tat sie da? Es war falsch. Es war falscher als alles, was sie sich vorstellen konnte, und doch würde sie sich durch nichts aufhalten lassen. Fast als gehorchte ihr Wille ihr nicht mehr.
    Die Tür schwang auf.
    Sie betrat die lange Galerie. Was sie hier tat, war das Aufregendste und Gefährlichste, was sie je im Leben getan hatte. Es zog sie in die Galerie, weil sie glaubte, in der höflichen Bitte des Zigeuners mehr erkannt zu haben als den Wunsch, das Porträt von Lely noch einmal zu sehen. Er hatte ihr damit bedeutet, sie könne ihn dort finden. Und jetzt eilte sie in einem aus fieberndem Entzücken geborenen Impuls und gegen jeden gesunden Menschenverstand in die Galerie.
    Am westlichen Ende brannte eine einzelne Kerze, deren Flamme in der stillen Luft nicht flackerte, deren Licht nichts beleuchtete.
    Nichts als die Möbel, die Fensterscheibe, das großartige Gemälde an der Wand. Er war nicht da.
    Eine Welle der Erleichterung überkam sie. Drei Stunden waren vergangen, seit sie Carline gesagt hatte, er solle den Zigeuner hier hereinlassen und ihm eine Kerze geben. Er war hergekommen und wieder gegangen und hatte die einzelne Kerze stehenlassen, um seinen Weg nach draußen zu beleuchten. Er war gegangen.
    Sie stand in dem Licht, das aus ihrem Schlafzimmer fiel, und starrte auf die Kerze in der langen Galerie. Es war kalt hier, die Feuer waren am Nachmittag verloschen. Campion war erleichtert, dass er gegangen war. Sie war traurig, dass er gegangen war. Was für widerstreitende Gefühle! Sie empfand Scham darüber, dass in dieser Nacht ein Lord praktisch um ihre Hand angehalten hatte und sie so gut wie ja gesagt hatte, um dann auf ein heimliches Stelldichein mit einem Dienstboten zu hoffen. Darunter mischte sich eine schreckliche Enttäuschung, dass der Zigeuner nicht im Licht der einsamen Flamme, die so ruhig am westlichen Ende der Galerie brannte, auf sie wartete. Sie wandte sich zu ihrem Zimmer um.
    Langsam kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück und schloss die Tür, nur die Kerze blieb in der langen Galerie zurück. Vernehmlich drehte sich der Schlüssel im Schloss, dann war es still.
    Ein Mann, der Pferde zuritt, musste geduldig sein. Er musste wissen, wie man ein Fohlen im Zaum hielt und wann man besser nichts tat. Der Zigeuner, im Dunkeln am westlichen Ende der Galerie, beobachtete sie und dachte, dass sie die schönste Frau war, der er je begegnet war, begehrenswerter, als er sich die Einsamkeit erträumen konnte, schöner als die Gefahr selbst. Eine Sekunde lang war er versucht gewesen, ihren Namen zu rufen, zu ihr zu gehen, doch er blieb still. Es würde einen rechten Zeitpunkt geben, aber der rechte Zeitpunkt für Lady Campion war nicht jetzt.
    Gitan hatte am dunklen Ende der Galerie auf eine Botschaft gewartet. Die Botschaft hatte er erhalten. Sie war gekommen. Sie würde wiederkommen.
    Auf leisen Sohlen ging er hinunter, schritt durch die frostige, strahlende Nacht zu den Ställen, in den Raum, den er nutzte, wenn er in Lazen war. Er schlief auf dem Boden, zugedeckt mit einem Mantel und einer Decke, und neben ihm lag im fahlen Licht der Nacht ein blanker Degen. Als kalt der Weihnachtsmorgen dämmerte, war er fort.

7
    In Paris war es ein elendes Weihnachtsfest, kalt und hungrig, und der einzige Trost waren die guten Nachrichten aus dem Krieg gegen Preußen und Österreich. Die Armeen des Landes hatten die nördlichen Eindringlinge zurückgeschlagen und waren bereit, den Krieg ins Feindesland zu tragen. In alle Länder, denn die französische Regierung hatte verfügt, dass allen Ländern geholfen werden sollte, die Ketten des Aberglaubens und der Monarchie abzuwerfen. In Paris wurde grimmig gewitzelt, Frankreich wünschte doch nur, seinen Hunger und seine Armut ins Ausland zu tragen. Das neue Jahr brachte kalten Regen. Die Bewohner von Paris kauerten sich in dem üblen Wetter zusammen und träumten von einer Zeit, da die Läden mit warmem, duftendem Brot gefüllt waren. Doch an einem Januartag herrschte Freude in der Stadt, ein großes Fest wurde gefeiert, das die

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