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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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zu stehen galt in London zu der Zeit als höchst modisches Bestreben. Er sprach niemanden mit «Mylord» an, selbst der Prinz von Wales bekam nur gelegentlich ein widerwillig gemurmeltes «Sir» zu hören. Von dem großen, niemals lächelnden Neger gelobt zu werden war eine Auszeichnung, die höher gewertet wurde als der Hosenbandorden. Er stand über dem nackten Mann, betrachtete ihn mit fachmännischem Auge und wandte sich dann zu Larke um. «Holen wir das Mädchen.»
    Larke dachte über den Vorschlag des Schwarzen nach. Die beiden Anwälte an dem kleinen Tisch hinter ihm sagten nichts. Sie waren eingeschüchtert durch die Gegenwart der beiden großen Männer, entsetzt über die Gewalt, deren Zeuge sie geworden waren, und hofften nur, dass die Arbeit dieser Nacht bald erledigt sein würde. Larke nickte langsam. «Das Mädchen braucht nicht zu wissen, dass ich etwas damit zu tun habe.»
    Tipp wies mit einer ruckartigen Bewegung seines wuchtigen Kopfes auf die Galerie. «Schauen Sie von da oben zu.»
    Sir Julius Lazender stöhnte. Mit der Zunge erforschte er seine geschwollenen, blutenden Lippen und stellte fest, dass ein Zahn fehlte. Sein ganzer Körper pulsierte vor Schmerzen, doch wie ein Mastiff, der nicht sah, dass der Bär ihn geschlagen hatte, versuchte er aufzustehen und gegen Valentine Larke auszuholen, der für die Schmerzen und die Demütigung verantwortlich war.
    Harry Tipp schlug Sir Julius beiläufig nieder. Girdlestone lachte. «Sie kitzeln ihn, Harry.»
    «Das Mädchen ist schneller. Helfen Sie mir mit ihm.»
    Hoch an der Steinwand waren Eisenringe angebracht, die noch aus der Zeit stammten, da dies ein Lagerhaus gewesen war. Die beiden großen Männer hoben den nackten, blutenden Sir Julius Lazender auf und banden, ohne auf seine Tritte und Schreie zu achten, seine Handgelenke fest, sodass er mit dem Rücken an der Wand hing. In seinem kurzgeschnittenen schwarzen Haar klebte Blut, auch an seinen Rippen und Oberschenkeln lief Blut herunter, und doch knurrte er kampflustig mit verzerrtem Gesicht und verfluchte sie.
    Valentine Larke wandte sich ab. Er stieg die Wendeltreppe zur Galerie hinauf, bückte sich unter der niedrigen Tür am oberen Ende und blieb dort stehen. Plötzlich durchströmte ihn eine willkommene Erleichterung. Auf der Balustrade hob sich als Silhouette gegen das Kerzenlicht des großen Raums Chemoschs mächtige Gestalt ab. Offensichtlich war er eben erst gekommen, denn er streifte gerade seinen Wintermantel von den Schultern. Larke, der Verrat befürchtet hatte, wusste plötzlich, dass nichts die Pläne der Gefallenen Engel durchkreuzt hatte.
    Chemosch starrte auf den nackten, geschundenen, blutenden Mann hinunter. Als er Larkes Schritte hörte, wandte er sich um. «Er gibt sich nicht leicht geschlagen.»
    «Er ist dumm. Und ein Sturkopf. Du kommst spät.»
    «Wofür ich um Verzeihung bitte.» Chemoschs Stimme klang, als machte er sich keine Gedanken über die knappen, unhöflichen Worte. Er warf seinen Hut und seinen Stock zu Boden. Er war prächtig gekleidet, seine seidene Halsbinde war tadellos gebunden, und die Stickereien an seiner blauen Jacke glänzten. Neben ihm wirkte Valentine Larke in matten, dunklen Stoffen trist. Tristheit war für den Politiker zur Daseinsform geworden, zog er es doch vor, im Schatten zu stehen und andere die Narren in der Menge blenden zu lassen.
    Valentine Larkes Vater war der zehnte Earl of Melstead gewesen und seine Mutter die Ehefrau von Lord Melsteads Kutscher. Valentine Larke war der älteste Sohn eines Grafen, und alles für nichts und wieder nichts, denn er war ein Bastard.
    Er hasste seinen Stiefvater, den Kutscher, der vor Lord Melstead gekatzbuckelt, den Bastard seiner Lordschaft aufgezogen und für diese Ehre und für jeden neuen Gefallen auch noch gedankt hatte. Und derer gab es viele. Lord Melstead sorgte für die Schulbildung des Jungen, ermutigte ihn und besorgte ihm eine Anstellung als Sekretär bei der Admiralität. Valentine Larke verbrachte seine langen Tage damit, Staatsdokumente zu kopieren und sich auf seine stille, gehorsame Art in der Hierarchie des Staatsdienstes hinaufzuarbeiten.
    Seine Nächte verbrachte er mit der Jagd.
    Als der zehnte Earl of Melstead starb, trat sein Sohn die Nachfolge an, und Valentine Larke hasste seinen jungen Halbbruder, der das Vermögen vergeudete, das, in Valentine Larkes Augen, dem Erstgeburtsrecht nach ihm zugestanden hätte.
    In der Nacht folgte Valentine Larke, noch Tinte an den Fingern, dem

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