Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
Vom Netzwerk:
er.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloss, und Gabriel stieg lustlos vom Stuhl. Eine Frau betrat den Raum, und wie immer stand Grimshaw im Türrahmen und versperrte mit seiner aggressiven Vierschrötigkeit einen möglichen Ausgang. Es war Charlotte, das Dienstmädchen mit dem lockigen Haar, die ihm gestern Hemden und Hosen gebracht hatte; Kleidung, die Marldon offenbar nicht mehr brauchte.
    «Vielleicht», sagte sie, «wird er dir Clarissa auch überlassen, wenn er sie abgelegt hat.»
    Gabriel hatte sich zunächst gescheut, die Sachen des Grafen anzuziehen, fand es aber schließlich zumindest etwas angenehmer, als weiterhin in der Verkleidung herumzulaufen, die ihn hierhergeführt hatte. Es wäre ihm zwar egal gewesen, dass das Kostüm jetzt lächerlich wirkte. Aber er wollte einfach nicht mehr an sein betrogenes Herz und seine betrogenen Hoffnungen, die sich damit verbunden hatten, erinnert werden.
    «Na, Lust auf ein bisschen kreative Betätigung?», fragte Charlotte und sah ihn scharf aus spöttischen jadegrünen Augen an.
    Gabriel saß auf dem schmalen Bett und lehnte sich gegen die Wand. «Nicht wirklich», antwortete er.
    Die Frau warf eine Auswahl von Malzubehör auf die Matratze: Bleistifte, Federn, Tinte, Holzkohle und Pastellkreiden.
    «Nun, dann solltet Ihr zusehen, dass Ihr in Stimmung kommt», sagte sie. «Seine Lordschaft möchte ein paar Skizzen und Entwürfe haben.»
    Gabriel kramte gelangweilt in den Sachen. «Landschaften?», erkundigte er sich höhnisch.
    Charlotte lächelte. «Von Clarissa.»
    «Ah, Aktstudien», sagte Gabriel und nickte gespielt weise. «Meine liebste Kunstform. Wie einfühlsam von Lord Alexander.»
    Abgesehen davon erzeugte der Gedanke daran, Clarissa zu sehen, ein schmerzliches Verlangen in ihm. Es konnte zwar nur ein bitteres Vergnügen werden, eines, das ihn quälen müsste, aber dieses Wissen konnte nicht seine Sehnsucht unterdrücken, in ihrer Nähe zu sein. Und immerhin gab es, wie er sich selbst sagte, eine gewisse Chance, dass sie ihm doch noch ein Wort oder einen Blick schenken würde, die ihm zeigten, wie stark ihre Gefühle für ihn noch immer waren. Er ahnte, dass dies eine trügerische Hoffnung war, aber er hielt sich an ihr fest, obgleich er damit eine Täuschung über seine Erkenntnis siegen ließ. Er würde Marldons Aufforderung also nicht ablehnen.
    «Papier wäre auch recht hilfreich», sagte er.
    «Ist oben», sagte Charlotte. «Sucht Euch aus, was Ihr braucht, und dann gehen wir. Die Handschellen, Jake.»
    «Die sind nicht nötig», seufzte Gabriel und erhob sich vom Bett.
    Aber sie achteten gar nicht auf ihn, und mit gefesselten Händen wurde er in den ersten Stock geführt.
    Dort öffnete Charlotte, ohne zu klopfen, leise die Tür zu einem Salon in Silber und Blau. Clarissa, die auf dem Klavier Chopin spielte, sah sie nicht. Ihr Körper bewegte sich sanft, ihre eleganten Finger glitten über die Tasten und erfüllten den Raum mit melancholischen Klängen. Lord Marldon saß in einem Sessel am Kamin, die Beine übereinandergeschlagen, wobei ein Fuß sanft wippte. Er lächelte entspannt, hob ihnen die Hand entgegen, um sie zur Ruhe zu mahnen, und nahm dann seine meditative Haltung wieder ein.
    All das, dachte Gabriel, sah wie eine Parodie auf häusliche Zufriedenheit aus. Noch ein paar Takte lang spielte Clarissa weiter, bis irgendetwas sie auf ihr Eintreten aufmerksam gemacht hatte. Sie drehte sich um, die Noten flatterten vom Halter, dann sprang sie auf.
    «Gabriel», sagte sie, mit einem so sehnsuchtsvollen Flüstern, dass es ihm fast das Herz zerriss.
    Er hatte sich getäuscht. In Wahrheit liebte sie ihn doch.
    «Clarissa», antwortete er sanft. Konnte er ihr mit einem einzigen Wort vermitteln, wie sehr er sie liebte und brauchte?
    Sie machte ein paar freudig erregte Schritte auf die kleine Gruppe zu. Dann zügelte sie sich und drehte ihren Kopf abrupt um zu Marldon. Ihr Gesicht verdunkelte sich, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, ließen scharfe, argwöhnische, aber gleichzeitig unsichere Blicke von einem Mann zum anderen gleiten.
    «Was bedeutet das?», verlangte sie von Lord Marldon zu erfahren. «Was wollt Ihr damit erreichen? Was, habt Ihr Euch erhofft, sollte ich jetzt tun?»
    Marldon erhob sich aus seinem Sessel und schlenderte zu ihr hinüber, während er sie kühl anlächelte. Die Narbe auf seinem kräftigen, brutal anmutenden Wangenknochen glänzte wie die silberne Schleimspur einer Schnecke, und alles an ihm strahlte Grausamkeit und

Weitere Kostenlose Bücher