Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
und dehnte seine Finger.
«Kaum die beste Vorbereitung», sagte er umgänglich und begann, sich in seine Rolle als Gegenspieler des Grafen hineinzufinden. «Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich mich ein wenig hier im Raum umschauen würde, Mylord? Ich muss feststellen, wo das Licht am besten ist.»
«Ihr seid mein Gast», sagte Marldon und verfolgte ihn mit wachsamen Augen.
Gabriel ließ sich Zeit, genoss, dass er sich nicht mehr ganz so machtlos fühlte. Er fragte sich, ob der Mann wohl wirklich ein paar Zeichnungen haben wollte oder ob es ausschließlich darum ging, bei ihm schmerzliche Gefühle auszulösen. Aber wie es auch sein mochte, an der Situation würde es wenig ändern. Immerhin könnte er ein wenig Zeit mit Clarissa verbringen, und das zählte mehr als alles andere.
Er schlenderte an den hohen Doppelfenstern entlang, aus denen man auf Piccadilly hinuntersah. Ein paar Kutschen rumpelten über die breite, kopfsteingepflasterte Straße, die im Licht des Nachmittags glänzte, und dahinter leuchteten die sattgrünen Baumkronen des Green Parks. Der Himmel war von herrlichstem Azurblau und die Sonne von glühendem Gold, hoch am Himmel und blendend. Gabriel schloss einen der Fensterläden ein wenig, um die Blendwirkung abzumildern, und sah sich nachdenklich im Raum um. Clarissa beobachtete ihn mit einem verwirrten, abwartenden Gesichtsausdruck. Er hingegen lächelte sie offen an.
«Wenn Ihr fertig seid», drängte Marldon gereizt, «würdet Ihr dann Eurem Modell bitte beim Entkleiden helfen, Mr. Ardenzi? Ich möchte mich da nicht allzu sehr einmischen.»
«Nein», murmelte Clarissa.«Nein, das möchte ich nicht.»
Marldon seufzte. «Wie bitte? Du möchtest, dass ich wiederum sein Leben bedrohe, Clarissa? Oder liegt es daran, dass du lieber möchtest, dass ich dir helfe?»
Clarissa presste ihre Lippen zusammen und warf Gabriel einen verzweifelten Blick zu. Als er gerade ansetzen wollte, ihr zu versichern, dass es egal sei, da es sich ja um keine großartige Sache handele, begann sie auch schon zu sprechen.
«Ja», flüsterte sie und senkte schuldbewusst die Wimpern. «Es wäre mir lieber, wenn Ihr das tätet, Mylord.»
Diese Bitte traf Gabriel wie ein Schlag. Waren ihr seine Gefühle egal, oder versuchte sie sogar, sie zu schonen? Er fühlte Feindseligkeit gegen sie in sich aufsteigen: Wenigstens diese paar Augenblicke der Nähe hätte sie ihm gönnen können. Das Vergnügen, ihre Haut anzufassen, hätte die Wut mehr als aufgewogen, die diese Berührungen bewirken sollten. Vielleicht, dachte er, könnte sie den Schmerz nicht ertragen, ihm so nah sein zu müssen. Entweder das, oder sie gab tatsächlich Marldon den Vorzug.
Gabriel zog die Stifte aus der Tasche, nahm Papier und Zeichenbrett, das man für ihn auf einem kleinen Tisch bereitgelegt hatte. Wenn sie unbedingt wollte, dass Marldon ihr beim Entkleiden half, dann sollte es eben so sein. Er würde ihnen gewiss nicht dabei zusehen. Er setzte sich auf eine brokatbespannte Couch, legte einen Fuß auf das Knie seines anderen Beines und ließ das Zeichenbrett auf seinem Schoß ruhen. Mit lockeren Strichen begann er einige Möbelstücke zu zeichnen: einen Rokoko-Konsolentisch, einen Blumenständer mit einer großen Palme, einen Stuhl mit Klauenfüßen.
Er summte vor sich hin, während er zeichnete, blickte nur einmal hinüber zu Clarissa und Marldon. Aber als er es getan hatte, bereute er es sofort und abgrundtief. Er sah, wie der Graf das Hemd von ihren Schultern gleiten ließ, mit seinen Händen über ihre bloßen Arme strich, mit den Lippen Küsse auf ihren Halsansatz drückte. Und im selben Moment sah er, wie Clarissa genießerisch die Augen schloss.
Eifersucht, ätzend und bösartig, drehte ihm fast den Magen um, strafte seine nonchalante Fassade Lügen. Oh, wie schändlich sie sich diesem Mann an den Hals warf; wie sie seine Übermacht genoss und seine schmierige Sinnlichkeit. Das war nicht die Frau, in die Gabriel sich verliebt hatte.
«Wo in diesem Raum hättet Ihr sie gern?», fragte Marldon.
Gabriel hob den Blick von seiner Skizze. Clarissa war nackt und ihr Haar gelöst. Eine schwere schwarze Locke floss über eine Schulter und verbarg unter ihren weichen Wellen die darunter liegende Brust. Ein muschelfarbener Nippel blitzte schüchtern durch den üppigen Vorhang, und sie sah ihn mit einem Blick an, der ebenso flehend wie entschuldigend war. Ihr Gesichtsausdruck ließ seine Gefühle für sie wieder auflodern, und sein Schwanz begann
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