Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
aufzubringen. Aber je öfter er sie sah, umso stärker begehrte er sie, und umso schwerer wurde es, ihr gegenüber kalt zu bleiben. Trotzdem musste er es tun, um ihrer beider willen.
Gabriel hatte keinerlei Verlangen, sich Lord Marldon zum Feind zu machen, aber es war keineswegs Angst, die ihn von Clarissa fernhielt. Er befürchtete, er könne sich in sie verlieben und sie sich in ihn. Der Schmerz, sich trennen zu müssen, in einigen Wochen oder Monaten spätestens, würde unerträglich sein. Es war einfacher, die Dinge zu beenden, bevor alles überhaupt angefangen hatte. Und Gabriel dachte, weil für ihn vor allem Clarissas Gefühle im Vordergrund standen, dass nicht offene Erklärungen die schonendste Methode dazu seien, sondern Grausamkeit.
«Champagner», wiederholte er und streifte sich sein Hemd über. «Ich werde uns zwei Gläser holen. Aber nur wenn du mir für später einen Tanz versprichst.» Constance lachte kurz und laut auf. «Einen Tanz?», rief sie aus und schüttelte affektiert ihre aschblonden Locken. «Bewahre, ich hätte nie gedacht, dass du dir um so etwas Gedanken machst.»
«O doch, das tue ich», sagte Gabriel und dachte an Clarissa. «Allerdings.»
Clarissa hatte geglaubt, ihr Herz schon gegen Gabriel verhärtet zu haben. Jedes Mal, wenn sie ihn gesehen hatte, wie er sich mit einer neuen Eroberung gebrüstet hatte, jedes Mal, wenn er vorgegeben hatte, sie überhaupt nicht zu sehen, wurde ihre Schutzhülle gegen ihn immer dicker. Sie erging sich in dem Gefühl der Ablehnung und wandte bewusst nicht mal mehr die Augen ab, wenn sie ihn mit einer anderen Frau vorübergehen und flirten sah. Es war wie ein schmerzhafter Prozess für sie, so als ob man eine Wunde ausbrennt. Doch besser das, dachte sie, als ein nässender Ausschlag.
Aber plötzlich sehnte sie sich doch nach einem Wort, einem Blick, einer Berührung von ihm. Früher am Abend hatte sie ihn dabei ertappt, dass er sie lange angesehen hatte, und in seinen Augen hatte ein so tiefes Verlangen gelegen, dass sie nicht länger glauben konnte, sie sei ihm gleichgültig. In diesem kurzen Augenblick war ihre ganze Verteidigung in sich zusammengebrochen.
Jetzt lauerte sie am Durchgang zum Musikzimmer und hatte die breite Treppe im Blick. Männer, elegant und mit Handschuhen, schlenderten vorüber, nippten an ihren Weingläsern und plauderten. Doch keiner von ihnen war Gabriel. Vor einer ganzen Weile war er über die Treppe nach oben verschwunden, eine Blonde an seinem Arm – eine, deren kunstvolle Frisur nicht ohne Haarteil und eine größere Menge Goldstaub entstanden sein dürfte.
Es hatte ihr sehr wehgetan, sie dort hinaufsteigen zu sehen, lachend und sich dabei ein wenig zu auffällig berührend. Ohne Zweifel waren sie auf der Suche nach einem der zahlreichen Schlafzimmer, von denen man munkelte, dass sie den Gästen zur freien Verfügung stünden. Clarissa wünschte, sie selbst wäre so frei von Scham und so wagemutig. Vielleicht würde Gabriel dann mit mehr Wohlgefallen auf sie blicken. Oder, was noch besser wäre, sie würde sich nicht mehr so schrecklich nach ihm sehnen. Sie wäre gern eine Frau, die ihren Vergnügungen mit zwangloser Leichtigkeit nachging und sich nicht um Herzensdinge scherte.
Als sie ihn entdeckte, machte ihr Magen einen aufgeregten Sprung. Er stand am Kopf der belebten Treppe, groß und schlank, mit über die Schultern fallenden welligen Haaren – so anders als alle anderen.
Clarissa trat einen Schritt zurück und beobachtete, verdeckt von anderen Menschen, wie er sich seinen Weg hinab bahnte, und sie war erleichtert, dass er jetzt allein war. Er ließ seine Augen über die Gesichter gleiten, begrüßte einige von ihnen mit einem kurzen Nicken und einem knappen Lächeln. Als er sich dem Fuß der Treppe näherte, schob sie sich durch die Menge auf ihn zu. Gabriels wandernde Augen trafen die ihren, und augenblicklich sah er fort.
Clarissa drängte weiter, achtete nicht auf die gemurmelten Beschwerden, sondern griff nach seinem Handgelenk.
«Warum behandelst du mich so?», fragte sie bittend mit gesenkter Stimme.
Gabriel drehte sich um, und Verdruss war in sein Gesicht geschrieben. Er sah sie mit hochmütiger Missbilligung an, bevor er ihr seinen Arm entzog und weiterging. Clarissa folgte ihm den Flur hinunter und griff, als sich die Menschenmenge lichtete, erneut nach seinem Handgelenk.
«Warum?», fragte sie. «Sag mir einfach nur, warum.»
Gabriel schüttelte ihre Hand ab. Seine Erscheinung hatte etwas
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