Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
ausfallen, bevor ich mir von Euch helfen lasse», zischte sie. «Ihr seid ein grässliches, doppelzüngiges Miststück, Miss Rieux. Verschwindet aus meinem Blickfeld.»
«Ich bekomme meine Anweisungen von Lord Marldon», antwortete Pascale großartig und warf dabei einige weich fallende, seidige Kleidungsstücke aufs Bett. «Nicht von Euch. Ihr sollt dies hier tragen.»
«Wenn meine Stiefmutter davon erfährt –», begann Clarissa und lief vor Ärger rot an.
« Je m’en fiche – das ist mir egal», sagte das Mädchen und zog die Schultern hoch. «Meine Treue gehört dem Grafen. Er bezahlt sehr viel besser. Alicia, ja, sie hat auch nicht schlecht gezahlt, weil ja auch meine Aufgabe schwierig sein sollte. Sie wollte, dass ich Euch verführe. Pah! Da ziehe ich es doch vor, für den Grafen zu arbeiten. Er verlangt nicht solche Sachen von mir.»
Triumphierend lächelte sie über Clarissas entsetzten, verwunderten Gesichtsausdruck.
«Mich verführen?», echote Clarissa. «Und Alicia hat das von Euch verlangt? Das ist lächerlich von Euch, so etwas zu behaupten, Pascale. Vollkommen lächerlich.»
«C’est vrai, mademoiselle» , gab sie ruhig zurück. «Miss Longleigh, sie wollte, dass Ihr eine passendere Braut werdet, nicht zu zugeknöpft, nicht so naïf. Tish! Ich glaube, es war in Eurem Sinne gedacht, aber Lord Marldon fand die Idee auch gut. Et moi? Ich fand das Ganze ziemlich ermüdend.»
Mit einem Rauschen ihres Seidenkleides schwebte Pascale zum Ankleidetisch hinüber. Clarissa starrte hinter ihr her, ließ noch einmal die Ereignisse aus der Vergangenheit in ihrem Gedächtnis Revue passieren. Da war jene Geschichte gewesen, als diese Frau sie im Bad berührt hatte, Gelegenheiten, bei denen sie Andeutungen gemacht hatte, andere Gelegenheiten, bei denen sie lüsterne Dinge getan hatte. Und ja, wie sehr sie sie ermuntert hatte, als Clarissa ihr von Gabriel erzählte, ihr versprochen hatte, geheim zu halten, wo sie war, damit sie die Nacht mit ihm verbringen konnte, wenn sie wollte. Konnte es wirklich so sein, dass sie all das nur auf Alicias Anweisung hin getan hatte?
Plötzlich stellte Clarissa die Aufrichtigkeit aller in Frage, die sie kannte, und sie sah mit ganz neuen Augen auf die Zeit ihres Aufenthalts hier in London. Lucy war so eifrig bemüht gewesen, einen Liebhaber zu finden. Gehörte auch das zu den Plänen ihrer Stiefmutter? Und Gabriel? Hatte er ganz einfach versucht, sie vorzubereiten, bereitzumachen für Lord Marldon? Sie fühlte sich dumm und benutzt. Schweren Herzens musste sie erkennen, dass andere Menschen ihr Leben kontrollieren wollten. Sie war umgeben von Puppenspielern, die versuchten, sie an ihren Fäden tanzen zu lassen. Und sie hatte gedacht, es wären ihre Freunde.
Aber nein. Es war unvorstellbar, dass Gabriel etwas anderes sein sollte als treu und aufrichtig; er hatte ja auch gar nicht versucht, aus ihr etwas zu machen, was die Zustimmung von Marldon finden könnte. Seine Liebe war echt, vielleicht das einzig Wahre in ihrem derzeitigen Leben. Aber das war jetzt sicherlich vorbei. Eines Tages würde er erfahren, wie sie ihn betrogen hatte, und niemals wieder würde er sie dann mit diesen sanften, sehnsuchtsvollen Augen ansehen. Sie verdrängte diesen Gedanken aus ihrem Kopf. Es war besser für sie, nicht immer an ihn zu denken; das war zu schmerzhaft.
Pascale drehte sich zu ihr um. «Würdet Ihr bitte dieses Kleid anziehen», sagte sie und deutete auf das Bündel aus Seide, das sie aufs Bett geworfen hatte.
Als Kleid konnte man das wohl kaum bezeichnen, dachte Clarissa, als sie es vom Bett hochhob. Was sie in der Hand hatte, waren kaum mehr als zwei Stoffschleier, die an den Seiten zusammengenäht waren.
«Wozu?», fragte sie maulig.
«Seine Lordschaft wünscht Eure Anwesenheit», sagte das Mädchen. «Möchtet Ihr, dass ich Euch beim Anziehen helfe?»
«Nein, das möchte ich nicht», antwortete sie bestimmt.
Die Aussicht, Alec wiederzusehen, erzeugte ein erregtes Brennen in ihrem Bauch. Sie ging hinüber zu ihrer Kommode und zog ein Unterhemd heraus.
«Non» , sagte Pascale. «Dies Kleid hier, es erfordert keine Unterwäsche.»
«Aber das ist doch viel zu dünn», protestierte Clarissa. «Man wird alles durchsehen können.»
Aber noch während sie sprach, wusste sie, dass genau das die Absicht war. Im Geheimen erregte sie die Idee, Lord Marldon in einem so durchsichtigen Überwurf zu begrüßen. Sie warf ihren Umhang ab, offenbarte ihren vollkommen nackten Körper und
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