Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
warf sich das Kleid über den Kopf. Die gewebte Seide rieselte über ihren Körper hinab und glänzte dabei lila und dunkelblau.
Sie stand vor dem Spiegel. Das Kleidungsstück war am Hals weit ausgeschnitten, ohne erwähnenswerte Ärmel, nur mit dünnen Trägern über den Schultern. Es war weder tailliert noch nach unten ausgestellt. Und trotzdem war es so geschnitten, dass es sich jeder Kurve, jeder Wölbung ihres Körpers anpasste. Ihre dunklen Nippel zeichneten sich deutlich unter dem zarten Gewebe ab, und ihr Schamhaar drückte so dagegen, dass in dem weichen Fall eine gekräuselte Fläche zu erkennen war.
«Oh, das sieht doch sehr schön aus», schnurrte Pascale. «Jetzt müssen wir nur noch etwas mit Eurem Haar tun. Seine Lordschaft erwartet einen Gast, also muss es schon elegant und vornehm aussehen.»
«Ich kann dies hier nicht in Gesellschaft tragen», rief Clarissa aus. «Es ist unanständig. Und es ist mitten am Tag!»
« Tish! Natürlich könnt Ihr», antwortete die Zofe. «Und, wenn Euch das weiterhilft, Ihr werdet ohnehin nicht vor dem Abend dazugebeten werden.»
«Warum also bist du schon jetzt gekommen?», begehrte Clarissa zu wissen. «Damit ich warte und mich frage, was wohl geschehen wird? Damit ich mich mit Gedanken darüber quälen kann, was mir wohl bevorstehen mag?»
Die Französin lächelte und scheuchte sie zum Ankleidetisch. «Bien entendu, mademoiselle» , murmelte sie und näherte sich Clarissas Haar mit einer Bürste. «Aus keinem anderen Grund.»
Clarissa gab ein leises, mattes Stöhnen von sich; alle Gedanken, Pascale Paroli zu bieten, waren fort. Sie hoffte, das Mädchen würde ihr Locken drehen und ihre Haare machen, wie sie es gewohnt war. Clarissa wollte so hübsch wie möglich aussehen für Lord Marldon, obwohl sie sich mehr als alles andere wünschte, dass sie beide allein wären.
«Und unser Gast?», fragte sie verloren. «Darf ich über den etwas wissen?»
Pascale beugte sich über ihre Schulter, und ihre Augen trafen sich im Spiegel. «Es ist ein fremdländischer Doktor», sagte sie. «Mit merkwürdigen, geheimnisvollen Kräften. Er wird in Eurer beider Herzen lesen, in Eurem und in dem von Seiner Lordschaft.»
«Nun, wenigstens einer von uns sollte sich doch als eine Herausforderung für ihn erweisen.»
In dem weichen Licht der Abendsonne rollte Gabriels Kutsche durch Knightsbridge, an den hohen Bäumen des Hyde Park vorbei. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich Piccadilly näherten. Er dachte kaum daran, was alles geschehen könnte, wenn man ihn durchschaute; seine Aufregung galt allein Clarissa.
Es schien, als sei eine Ewigkeit vergangen, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte, aber tatsächlich war es noch nicht einmal dreizehn Tage her. Und während der meisten dieser Tage hatte Gabriel daran gearbeitet, seine Tarnung zu perfektionieren, damit es ihm seine Reputation ermöglichen würde, mit Hilfe des Londoner Gesellschaftsklatsches in das Haus zu gelangen. Es war nicht schwer gewesen, eine Einladung in das Haus Lord Marldons zu bekommen. Doktor Irfan war sehr gefragt, und fast schon spielte Gabriel mit dem Gedanken, dass er als Wahrsager wohl ziemlich gutes Geld verdienen könnte. Abergläubischer Humbug war gerade sehr en vogue .
Aber er wusste auch, dass Marldon sich gewöhnlich nicht darum scherte, was gerade Mode war. Seine Einladung kam, so befürchtete er, daher, dass der Graf ihn hereinlegen wollte. Er wollte sich ein Bild machen, was an diesem neuesten Liebling der feinen Gesellschaft dran war, und dann könnte er denen, die auf den Trick hereingefallen waren, zeigen, wie man sie getäuscht und in die Irre geführt hatte.
Aber das war Gabriel egal. Solange er die Gelegenheit hätte, Clarissa nahe zu sein, war alles andere unwichtig. Wie er sich danach sehnte, in jene tiefblauen Augen zu blicken, die manchmal schläfrig, manchmal leuchtend waren. Er musste unbedingt wissen, ob es ihr gutging, sich vergewissern, wie Marldon sie behandelte.
Lucys Vermutung, dass es möglicherweise Clarissas freier Wille war, dort zu sein, erschien ihm aberwitzig. Der Brief, den sie ihm geschrieben hatte, war wohl von ihrer Hand verfasst, nicht aber von ihr formuliert gewesen. Jene Worte, mit denen sie ihre Gefühle für ihn zurückgenommen hatte, waren Lügen gewesen, genauso unwahr wie die Geschichte, dass sie in Chelsea vor sich hin kränkelte. Marldon hatte sie gezwungen, all diese Dinge zu schreiben, genauso wie er sie zwang, in Asham zu bleiben. Und
Weitere Kostenlose Bücher