Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
insoweit, als ich meinen Kopf mitpendeln ließ, um möglichst viel von der Wucht zu absorbieren. Nach einer halben Minute öffneten sich die Fäuste zur flachen Hand, dann wurden die Schläge zu kraftlosem Fuchteln und Kratzen. Schließlich sanken ihre Arme herab und sie erschlaffte. Ich wollte sie nicht töten – auch wenn sie mich umbringen wollte, besaß sie doch immer noch Informationen, die ich brauchte –, blieb aber auf ihr und lockerte zwar den Druck auf ihre Kehle, nahm aber den Arm nicht weg.
Etwa zwanzig Sekunden lag sie keuchend unter mir. Von meinem Ohr und meinem Gesicht tropfte Blut auf ihre Wange, wo es sich mit ihrem mischte, dann seitlich hinabrann und auf dem Teppich einen sich ausbreitenden roten Fleck bildete. Ihre Lideröffneten sich flatternd, und einen Moment lang starrte sie mich an wie ein Tier, ohne dass da in ihrem Blick irgendetwas anderes war als reiner Kampfinstinkt, aber dann fixierten mich diese blassblauen Augen, und ihr Mund verzog sich zu einem trägen Grinsen. Da war Blut zwischen ihren Zähnen und auf ihren Lippen. Sie wölbte mir den Bauch entgegen, und ich dachte zuerst, sie versuchte sich mir wieder zu entwinden, aber nein, sie blieb so, das Becken fest und fordernd an mich gepresst.
»Wenn du mich nicht töten willst, Engel«, sagte sie, »lass uns was anderes tun, solange ich noch richtig auf Touren bin.«
22
KALTE HÄNDE
I ch hatte noch nie ein Höllenungeheuer geküsst. Ich weiß, das klingt wie der Auftakt zu einem Ex-Ehefrauen-Witz, aber es stimmt. Ich hatte Kellnerinnen gehabt und Motorradbräute, reifere Frauen mit einer langen Geschichte und kaum volljährige Mädchen, deren eigene Story gerade erst begann. Ich hatte heiße Nächte mit weiblichen Engeln erlebt, mal abgesehen von jenen sexlosen und dennoch intensiven, quasi-vorpubertären Beziehungen, die man im Himmel hat – sagte ich schon, dass es dort keinen Sex gibt? Okay, das fällt auch in die Kategorie »andere Geschichte«. Ich war sogar schon ein paarmal kurz davor gewesen, mich mit einer Angehörigen der Gegenseite auf Intimitäten einzulassen, aber nur weil ich nicht wusste, dass es sich um eine solche handelte, was ich dann immer noch rechtzeitig gemerkt hatte. Aber wissentlich einen Dämon geküsst hatte ich noch nie.
Wow.
Das soll jetzt nicht romantisch klingen, weil es das nämlich nicht war. Nicht gleich jedenfalls. Eben noch hatte ich auf diesem verrückten Ding gelegen, das mich umbringen wollte, und jetzt wälzten wir uns schon wieder am Boden, diesmal jedoch ohne irgendwelche ablenkenden Klingen. Erst als wir gegen ihren Schreibtisch rumsten, fiel mir ein, dass ich ja nicht wusste, wo sie beim Hereinkommen ihre Pistole abgelegt hatte und ob sie indieser Schublade vielleicht auch etwas noch Fieseres als diesen Kukri aufbewahrte – ein taktisches Tomahawk oder ein türkisches Yathyagan-Schwert oder sonst irgendeine exotische Horrorwaffe –, aber die Gräfin schien nicht mehr daran interessiert, mich zu erledigen, jedenfalls nicht auf konventionelle Weise.
Glauben Sie nicht, dass ich den Hass und Argwohn eines ganzen Engelslebens einfach vergessen hätte – in meinem Kopf schrillten Alarmglocken, so laut, dass ich einen Gehörschaden davongetragen hätte, wären sie real gewesen, aber in dem Moment war mir das einfach egal.
Casimiras Morgenrock verhüllte ohnehin nicht mehr viel, und wir waren beide glitschig von Blut und Schweiß. Ihr Mund schmeckte feurig wie Tabasco, aber ihre Haut fühlte sich schockierend kalt an. Wir pressten uns so fest aneinander, dass es war, als könnten wir einander durchdringen. Ich spürte ihre Brustwarzen an meiner Brust, so hart wie Silberprojektile. In meinem Mund war das salzig-metallische Aroma von Blut, aber es schmeckte gut. Es schmeckte richtig . Ich wusste nicht, ob es Höllenmagie war oder einfach nur ordinäre Chemie, aber es fiel mir immer schwerer zu denken oder mich gar an dieser Tatsache zu stören.
»Halt mal«, sagte ich und zog mich ein wenig von ihr zurück. Wir lagen jetzt neben dem Bett, obwohl »liegen« viel zu passiv klingt: Sie hatte ein langes, glattes Bein um meinen Körper und beide Arme um meinen Hals geschlungen, und ihr Gesicht war so dicht vor meinem, dass ich kaum mehr sah als ihre blauen Augen. Jedenfalls ging ich davon aus, dass sie noch blau waren; in der schummrigen Haremsbeleuchtung hätte ich es nicht gemerkt, wenn sie wieder rot geworden wären. Ja, wir hätten in diesen letzten Minuten sogar durch den Fußboden
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