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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Erinnerungen hat, nur dieses Gefühl . Wo man auch hingeht, es ist überall so – unvertraut, aber nicht bedrohlich, oder vertraut und trotzdem geheimnisvoll, als ob man das Déjà-vu mit der Luft einatmen würde. Und wie in der Himmlischen Stadt fühlt es sich einfach richtig an, in den Gefilden zu sein. Es fühlt sich gut an. Jedes Mal, wenn ich dort durchkomme, sage ich mir: Ich muss mehr davon sehen. Ich muss mehr erfahren. Vielleicht könnte ich hier glücklich sein. Vielleicht …
    Aber alles hat ein Ende, selbst die unendlichen Gefilde. Irgendwann kommt man auf eine Anhöhe, von der aus man die schimmernden Mauern der Stadt in der Ferne erkennen kann. Für die meisten Leute wäre das der Höhepunkt eines jeden Himmelsbesuchs, aber bei mir verbindet es sich immer mit einem leisen Schauder. Ich hatte nie das Gefühl, wirklich in den Himmel zu gehören. Jedes Mal, wenn ich hinkomme, auch wenn ich von hohen Autoritäten gerufen worden bin und selbst in den seltenen Fällen, in denen es darum geht, dass ich gelobt werden soll, habe ich das Gefühl, Gefahr zu laufen, entlarvt zu werden.
    Entlarvt als was? Ich weiß es nicht. Ich wollte, ich wüsste es.»Warum wollten Sie, dass ich mitkomme?«, fragte Clarence, als wir durch das große Tor traten und in den murmelnden Strom von Engeln eintauchten, der immer die Straßen füllt. (Apropos, die Straßen sind zwar nicht ganz und gar mit Gold gepflastert, aber an bestimmten Stellen doch, wobei es allerdings eine Art von Gold ist, die sich angenehm anfühlt, elastisch wie feste Erde, und nichts von den Eigenschaften realen Goldes hat außer der Schönheit.) »Ist es irgendwie wegen Sam?«
    »Wie kommst du darauf?«
    Er zuckte die Achseln. Er wirkte schon ein bisschen zerstreut, infiziert von der himmlischen Frohheit. Ich fühlte sie auch, kämpfte aber wie immer, wenn ich hierherkam, darum, eine gewisse Zielstrebigkeit zu bewahren. Ich habe festgestellt, dass ich das gerade einigermaßen schaffe, wenn ich es angehe wie ein Betrunkener eine komplizierte Aufgabe – Konzentration, Konzentration und nochmals Konzentration. Aber dann komme ich unter einem Baum voller Blüten durch, die von innen her leuchten wie eine Siedlung von Feenwesen, und muss wieder von vorn anfangen.
    »Weiß nicht«, sagte er. »Wahrscheinlich weil Sam im Krankenhaus ist, weil er verletzt wurde, als er Ihnen gegen diesen Ghallu geholfen hat. Und weil Sam ja so was wie mein Boss ist.«
    »Keine schlechte Theorie. Aber nein, nicht deshalb. Ich wollte dich dabeihaben, weil du doch mal im Archiv gearbeitet hast.«
    Zum ersten Mal, seit wir die Stadt betreten hatten, ließ seine heitere Gelassenheit etwas nach. Er runzelte die Stirn, als hätte ich gerade den Namen einer besonders unerquicklichen Exfreundin von ihm ausgesprochen – wobei er bestimmt noch nicht viele Freundinnen gehabt hatte, weder unerquickliche noch erquickliche. »Ach?«, sagte er. »Aber … das ist doch schon eine ganze Weile her …«
    »So lange auch wieder nicht. Ein paar Wochen, Erdenzeit, plus deine Schulungsphase, bevor sie dich runtergeschickt haben– die nicht lang gewesen sein kann, wenn man bedenkt, wie wenig du weißt.«
    Er wurde rot. Ich hatte noch nie jemanden im Himmel rot werden sehen. Es war in gewisser Weise rührend. »Bin ich wirklich so schlecht?«
    »Du weißt doch, wie die Natur es so einrichtet, dass Babys hilflos sind, damit wir sie nicht fressen wollen? Also, dich würde selbst Eligors gehörntes Monster wahrscheinlich nur auf den Arm nehmen, um dir übers Haar zu streichen und ›Ich hab deine Nase‹ mit dir zu spielen.« Er sah so beschämt drein, dass ich schon fast ein schlechtes Gewissen hatte, doch ich war fest entschlossen, ihn auf die Probe zu stellen. »Aber es gibt vieles, was du tun kannst, und etwas davon wirst du jetzt tun. Komm mit ins Archiv, dann erklär ich’s dir.«
    Wir drifteten über den Gnadenplatz und den Ewigen Weg mit seinen endlosen weißen Säulen entlang. Ständig begegneten uns Engel, aber einige der höchsten erschienen und verschwanden einfach nur, ohne sich mit der näherungsweisen Imitation irdischer Gepflogenheiten aufzuhalten – wahrscheinlich solche, die nie Sterbliche gewesen waren. Ab und zu konnte ich im hellen Leuchten eines hohen Engels die Form goldener Flügel ausmachen, und das erinnerte mich daran, dass einer der wahrhaft bedeutenden Bewohner der Himmlischen Stadt wahrscheinlich ein Verräter war. Ich lenkte mich damit ab, Clarence auf die esoterischeren

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