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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schüttelte nur den Kopf. Seine rechte Hand, die vorhin noch wie die Sonne gegleißt hatte, wirkte, als er sie jetzt hob, fast wie eine gewöhnliche Hand, auch wenn sie noch ganz leicht zu leuchten schien. »Sie hören mich nicht, weil ich der Diener von jemandem bin, der mächtiger ist als sie alle.«
    »Sie meinen … Gott?«
    Er lächelte. »Wir alle sind Diener des Höchsten – selbst Fishspine dort drüben, der Höllenankläger. Aber mein Förderer ist zumindest mächtiger als dieser Engel oder dieser Dämon hier. Kommen Sie, lassen wir sie ihre Arbeit tun.«
    Er führte mich aus dem Zimmer und durch den Flur zurück, bis wir das leuchtende Loch wiederfanden, durch das wir gekommen waren. Als wir hindurchtraten, war drüben alles wie zuvor. Ein paar Sekunden später kam ein Pfleger um die Ecke; er bewegte sich ganz normal. Er sah uns flüchtig und desinteressiert an und ging weiter.
    Auf der Rückfahrt sprach Habari nicht mit mir. Er belehrte mich nicht, warb nicht und missionierte nicht. Das war nicht nötig. Was ich gesehen hatte, war so weit jenseits meines bisherigen Erfahrungshorizonts, dass ich zitterte wie ein Fiebernder. Er brachte mich nach Hause, goss mir ein Glas Wein ein, machte sich dann einen Tee und setzte sich zu mir, bis ich nicht mehr ganz so aufgewühlt war. Als er ging, verspracher, am nächsten Tag wiederzukommen und mit mir über unser »Abenteuer«, wie er es nannte, zu sprechen.
    Wer auch immer Sie, der Sie dies lesen, sein mögen, ich nehme an, Sie haben für das, was ich erlebt habe, bereits mehrere Erklärungen im Kopf – Hypnose, Drogen, vielleicht auch einfach nur eine Geisteskrankheit. All diese Gedanken hatte ich auch, weshalb ich nach einer nahezu schlaflosen Nacht ziemlich ärgerlich war, als Habari schließlich wiederkam. Er schien mit dieser Reaktion gerechnet zu haben und unternahm mit mir eine weitere Autofahrt, diesmal zu einem Apartmenthaus in Ravenswood.
    »Es ist traurig – ein tödlicher Stromschlag«, sagte er. »Defekter Föhn.«
    Die Szene war ganz ähnlich, nur ohne die Ärzte und Pflegekräfte. Sanitäter schnallten gerade den Leichnam einer älteren Frau auf eine Rolltrage, doch als wir durch die leuchtende Öffnung traten, war da ihre Seele außerhalb des Körpers und beobachtete die Sanitäter und die in Tränen aufgelöste Enkelin, die die Tote gefunden hatte. Binnen Augenblicken erschienen ein Anwaltsengel und ein dämonischer Ankläger, Ersterer ein junger Mann mit leuchtenden Zügen, Letzterer ebenfalls ein junger Mann, jedoch ohne Kopf und mit einem Gesicht mitten im nackten Rumpf. Die Verstorbene betrachtete ihn furchtsam, aber der hübsche junge Mann trat zu ihr und sprach beruhigend auf sie ein.
    »Smearhawk«, sagte Habari und deutete mit dem Kinn auf den kopflosen Dämon. »Als Ankläger ister ein schwerer Gegner, aber hier wird er wohl kein Glück haben.«
    Und dann erschien der Richter.
    Wir haben vor vielen Jahren einmal einem der Kinder zum Geburtstag ein Spielzeug gekauft, ein Gerät, das man wie einen Rasensprenger an den Gartenschlauch anschloss und das verschieden hohe Wasserfontänen in die Luft sprühte, während es sich drehte wie ein Karussell. Die Kinder waren begeistert und spielten den ganzen Sommer damit. Wenn die Sonnenstrahlen genau im richtigen Winkel darauf fielen, entstand ein wunderschöner leuchtender Regenbogen, der auf der Stelle blieb, auch wenn die Sprühstrahlen stiegen und fielen und durch die Rotation des Geräts in alle Richtungen schossen.
    Der himmlische Richter war so ähnlich, ein gefrorener Regen von Licht, aber auch schrecklich und furchterregend.
    »Wir sollten jetzt gehen«, flüsterte mir Habari zu. »Die Mächte sind nicht wie die niedereren Engel. Er könnte uns bemerken, wenn wir bleiben.«
    An den darauffolgenden Tagen unternahm Dr. Habari mit mir noch einige dieser erstaunlichen Reisen hinaus aus der Welt, die wir kennen, bis selbst ich zugeben musste, dass ich, wenn es ein Trick war, keine Ahnung hatte, worin er bestehen könnte. Als ich das schließlich zugab, sagte er, vielleicht sei ich ja jetzt bereit dafür, die Wahrheit zu erfahren – die wirkliche Wahrheit. Doch er wollte mehr, als mich einfach nur für den Glauben zu rekrutieren.»Welchen Sinn hätte es, Edward«, fragte er mich an dem Tag, an dem er mir endlich alles erklärte, »sich ebenjenen willkürlichen Regeln und schikanösen Machtstrukturen zu unterwerfen, gegen die Sie auf Erden gekämpft haben? Sie haben zu Ihren Überzeugungen

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