Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
mal wiederkommen müssen …
Da sah ich ihn, ziemlich weit unten im nächststehenden Regal, zwischen einem Dawkin-Buch und Mark Twains Briefe von der Erde : den schwarzledernen, goldgeprägten Rücken einer King-James-Bibel. Wie in Sesamstraße: Eins von diesen Dingen passt nicht zu den anderen … Die Haustür ging auf, also griff ich einfach nur zu. Der Engel mit der gestohlenen Bibel unter der Jacke (ich) spurtete durch die Küche zur Hintertür und entwischte nur knapp der Enkelin des Bibeleigentümers und ihrem Möchtegerngangsta-Freund.
27
DIE BIBEL DES ATHEISTEN
I ch fuhr ein bisschen weiter nach Palo Alto hinein und hielt in einer ruhigen Wohnstraße. Als ich mir die schwere, ledergebundene Bibel vornahm, sah ich sofort, dass etwas zwischen den Seiten steckte, ein ziemlich dicker Umschlag. Ein Glück, dass er bei meinem hastigen Abgang nicht herausgefallen war. Auf dem Umschlag stand nur »Nach meinem Tod zu öffnen«, in einer Handschrift, die mit dem, was ich bisher von Walkers Schrift gesehen hatte, übereinzustimmen schien.
Jackpot. Und er ist allen außer mir entgangen …
Ich fasste den Umschlag beim Öffnen nur mit einem Papiertaschentuch an, für den Fall, dass ich ihn der Polizei gut findbar hinterlegen musste, und verfuhr mit dem Inhalt genauso. Der bestand aus mindestens einem Dutzend betippter Blätter altmodischen, dünnen Papiers, wodurch das Ganze älter wirkte, als es der Datierung entsprach; die war nämlich von vor ein paar Wochen, wenige Tage vor Edward Walkers Tod. Ich sah mich kurz um, ob auch wirklich niemand auf dieser stillen Straße war, und begann dann zu lesen.
An alle, die dies lesen,
das Folgende ist keine letztwillige Verfügung, wohl aber ein Testament im Sinne von Zeugnis.
Der Inhalt sollte keine Auswirkungen auf meine persönlichen Angelegenheiten haben, aber ich bezweifle, dass die Juristen diese Meinung teilen werden. Deshalb habe ich dieses Schriftstück auch nicht meinen Anwälten anvertraut. Wenn noch jemand von meinen guten Freunden am Leben wäre, hätte ich ihn demjenigen gegeben. Leider steht mir diese Möglichkeit nicht mehr offen.
Dennoch ist es ein Risiko, dies alles überhaupt niederzuschreiben. Was ich jetzt berichte, wird den meisten, wenn nicht allen Leuten, die davon erfahren, völlig unglaubhaft erscheinen. Aber ich kann jedem, der dies liest, versichern, dass ich ganz und gar bei Verstand bin und für alles, was ich hier darlege, mehr als überzeugende Beweise habe.
Hier nun also, was ich jetzt weiß, was ich als unstrittig erkannt habe: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Die Seele existiert auch ohne den Körper. Und obwohl die meisten der kleinlichen, bevormundenden Regeln der organisierten Religionen dieser Welt so unsinnig und falsch sind, wie ich immer schon dachte, muss ich doch zugeben, dass hinsichtlich ihrer zentralen Postulate diese Religionen recht haben und meine Mitzweifler und ich im Irrtum waren. Es gibt einen Himmel und es gibt eine Hölle.
Auf einem Kongress des Internationalen Atheistenbundes in Los Angeles hielt ich einen meiner seltenen, aber auf tiefste Überzeugung gegründeten Vorträge über das Unheil, das der Welt im Allgemeinen und Amerika im Besonderen aus demTreiben der Anhänger organisierter Religionen erwächst, seien es Christen, Juden, Islamisten oder irgendwelche sonstigen Theisten. Hinterher sprach mich ein kleiner, dunkelhäutiger, grauhaariger Mann an, den ich zunächst für einen Afroamerikaner hielt. Da er jedoch für meine Ohren einen leicht britischen Akzent hatte, befand ich, dass er wohl Afrikaner oder Afro-Karibe sein musste. Er erklärte, er habe meinen Vortrag mit Interesse verfolgt und wolle mit mir darüber reden. Amüsiert von der Wichtigkeit, mit der er dies vorbrachte, und auch neugierig, ließ ich mich darauf ein.
Beim Kaffee begann mir mein neuer Bekannter Fragen zu stellen, weniger zu dem, was ich gesagt hatte, als zu meinen eigentlichen Überzeugungen. Ob ich Gott für unmöglich oder nur für unwahrscheinlich hielte? Wie ich mir erklärte, dass die Menschen immer wieder, Jahrhundert für Jahrhundert, darauf verfielen, an etwas zu glauben, das größer sei als sie selbst?
Ich verstand nicht recht, worauf er hinauswollte, doch als er schließlich eine Visitenkarte zückte, auf der »Reverend Dr. Moses Habari« stand, war ich mir ziemlich sicher, seine Absicht zu durchschauen. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, er sei wohl einer dieser Geistlichen, die an augenscheinlich abwegigen Orten Jagd auf
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