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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Bekehrungskandidaten machten, und erklärte, dass ich zwar nicht so spiritualitätsfeindlich sei wie manch andere hier, aber doch nicht deshalb an dem Kongress teilnähme,weil ich Bestärkung im Unglauben nötig hätte. Er lachte und sagte, ich hätte zwar partiell recht, aber er sei nicht auf der Suche nach prinzipienschwachen Leuten, die man mit dem Mittel der Angst dem Glauben zuführen könne, sondern nach solchen, die auch dann noch in der Lage seien, an ihrem Skeptizismus festzuhalten und ihre Integrität zu bewahren, wenn ihnen beängstigende Offenbarungen zuteil würden. Natürlich machte mich das Wort »Offenbarung« argwöhnisch, da es eins der vielen Codewörter für christliche Weltende-Phantasien ist, aber die Gesellschaft des ruhigen und liebenswürdigen Mannes war mir angenehm, also redeten wir freundlich über viele andere Themen als Religion, und auf seine Initiative hin vereinbarten wir schließlich, den Kontakt aufrechtzuerhalten.
    Etwa ein Jahr lang beschränkte sich unser Verhältnis auf gelegentliche Briefe. Er schrieb mir, dass er mit etwas sehr Wichtigem beschäftigt sei und es mir eines Tages zeigen wolle, und ich erzählte ihm, wie ich meine Zeit mit Arbeit ausfüllte. Molly war ein paar Jahre zuvor gestorben, und ich war, ehrlich gesagt, ein bisschen durch den Wind, ging aber Dr. Habari gegenüber nie ausführlicher darauf ein. Dennoch muss er in dieser Zeit befunden haben, dass ich ideal für sein Projekt war, denn obwohl unsere Freundschaft weiterhin recht locker blieb – ein brieflicher Austausch alle vier bis sechs Wochen –, schickte er mir doch jetzt auch Artikel, die ich für rein politischerNatur hielt, über die Dritter-Weg-Bewegung in Europa und anderen Teilen der Welt, relativ bekannte Bestrebungen, einen Mittelweg zwischen ultralinken und ultrarechten politischen Programmen zu finden …
    Also, eins stand fest: Edward Walker war auf jeden Fall klar im Kopf gewesen. Aber auch schrecklich weitschweifig, also überflog ich die nächsten zwei, drei Seiten über Habaris Interesse an Politik und Gesellschaftsorganisation lediglich, um zu den – wie ich ironischerweise dachte – besseren Sachen zu gelangen.
    Doch es kam der Tag, da Dr. Habari von seinem großen Projekt nicht mehr nur in vagen, allgemeinen Phrasen wie »Religionsfreiheit« und »Suche nach einem neuen weiterführenden Weg« sprach, sondern wie über etwas ganz Konkretes, das bereits in der Realisierungsphase war und das er mir als »ideal für jemanden wie Sie, mein lieber Edward« pries. Ich kannte Habari jetzt lange genug, um ihn nicht mehr zu verdächtigen, für seine gemäßigte Version von Christentum missionieren zu wollen, also erklärte ich mich zu einem eingehenderen Gespräch über sein Projekt bereit. »Besser noch, mein lieber Edward«, schrieb er. »Ich werde es Ihnen vorführen.« Ich hatte keine Ahnung, was das heißen sollte. Ich rechnete mit der Besichtigung eines Sozialzentrums oder sonst irgendeiner karitativen Einrichtung. Selbst Religionsvertreter, die es aufgeben, mich bekehren zu wollen, hoffen doch zuweilen, mir Geld aus der Nase ziehen zu können. Einreicher Witwer ist für Spendensammler jedweder Couleur ein vielversprechendes Objekt. Dann jedoch, im April vor zwei Jahren, kam Habari, um mich zu Hause abzuholen. Ich weiß noch, dass es ein schöner Frühlingstag war und der Aprikosenbaum am Weg zur Haustür von grünen Trieben leuchtete. Habari fuhr mich in seinem ramponierten alten Auto quer durch die Stadt und erklärte mir, dass das, was ich jetzt sehen würde, höchst erstaunlich sei, dass er aber, ganz gleich, wie es mir damit erginge, auf mein Stillschweigen zähle.
    »Warum?«, fragte ich belustigt. »Haben wir vor, Gesetze zu brechen?«
    »Nur die Gesetze der Physik«, antwortete er. »Und die werden im Grund nicht gebrochen, Sie werden nur sehen, was dahinter ist.«
    Allmählich fragte ich mich doch, was mein leiser, zurückhaltender Freund vorhatte – wollte er mir eine weinende Madonnenstatue vorführen? Oder etwas Moderneres – jemanden, der angeblich von Außerirdischen entführt worden war? Aber Habari wollte es mir nicht sagen. Schließlich kamen wir am Stanford Hospital an, parkten, gingen hinein und an der Aufnahme vorbei. Der Reverend hatte eine Hand in der Manteltasche und einen konzentrierten Gesichtsausdruck. »Jetzt nichts sagen und nicht bewegen«, befahl er mir, als wir in einen zu dem Zeitpunkt leeren Krankenhausflur kamen, und wedelte dann mit der freien Hand vor

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