Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
mich beschwert hatte (was ein paar Minuten dauerte), bekam ich, was ich brauchte, plus eine Information, die mich etwas überraschte und die ich erst mal beiseitelegte, um später darüber nachzudenken. Dann rief ich Fatback an und sprach ihm (da um diese Zeit sein Gehirn noch im Schweinemodus war) auf den Anrufbeantworter, er möge mir doch bitte schicken, was er über das Ralston finden könne, mit besonderem Schwerpunkt auf den Fluchtwegen, und mir auch noch Informationen über ein paar andere Dinge beschaffen, die mich beschäftigten. Dann holte ich mir, da ich den Wodka ausgetrunken hatte und nicht auf den Zimmerservice warten wollte, zwei winzige Fläschchen Bacardi aus der Minibar. Ich hatte ja noch Orangensaft, und jeder Seemann weiß, wenn sich voraus ein Sturm zusammenbraut, ist es Zeit für die Rumrationen.
Ich hatte stundenlang vor mich hingebrütet, Kanäle durchgezappt und irgendwelche Bilder und Geräusche über mich hinwegspülen lassen – einen halben Durchgang eines Baseballspiels, einen unverständlichen Krimi, in dem vor allem Leichen und unglaublich gutaussehendes rechtsmedizinisches Personal vorkamen, einen lokalen Wettermann, der sich alle Mühe gab, gebührend besorgt zu klingen, als er ein bisschen Regen ankündigte, der möglicherweise ein paar Leute zwingen könnte, ihre Wagenfenster zuzumachen, außerdem alte Spielfilme, Informercials, Kinder-Zeichentrickfilme, die hauptsächlich aus Primärfarben und lautem Gekreische zu bestehen schienen, alles, wasmeine Aufmerksamkeit länger als ein paar Sekunden zu fesseln vermochte. Schließlich hatte ich eine Sendung über Ameisensoldatinnen gefunden, bei der ich sogar etwas länger verweilte. Mag sein, dass ich eingedöst war oder kurz davor; jedenfalls schreckte mich das Klopfen an der Zimmertür jäh auf.
Eine von Prinz Sitris Osterinselstatuen verdunkelte den Spalt jenseits der Kette. Einen Moment lang fragte ich mich, ob die bescheidenen Metallglieder die ein, zwei Sekunden standhalten würden, die ich bräuchte, um an meine überm Stuhl hängende Jacke und die mit Silbermunition geladene Automatik zu kommen, aber der Hüne gab nur eine Art Grunzen von sich und schob etwas zwischen Tür und Türpfosten hindurch – einen Umschlag. Als ich ihm diesen abnahm, drehte er sich um und ging davon, überraschend leise für einen Mann (oder jedenfalls einen männlichen Menschenkörper), der groß genug für eine eigene Postleitzahl war.
Der Umschlag enthielt eine Nachricht auf unglaublich zartem, fast durchscheinendem Papier und in einer pedantischen kleinen Handschrift, die man sich kaum als Produkt der fetten Riesenpranken des guten Sitri vorstellen konnte.
»Wenn Sie um Mitternacht in die Lobbybar kommen, werden Sie etwas erfahren, das zu Ihrem Nutzen ist «, stand da. Darunter war ein verschnörkeltes »S«.
Ich fragte mich, warum er mich nicht einfach in die Roosevelt-Suite eingeladen hatte. Die belebte Lobby war ja wohl kaum der Ort, wo wir uns unbemerkt treffen könnten, auch nicht nach Mitternacht, aber andererseits war es in Gegenwart so vieler Leute auch unwahrscheinlich, dass er mich kaltmachen würde. Ich war bereits mitten im Spiel und hatte quasi schon mein Haus gesetzt, also konnte ich es mir nicht leisten zu passen.
Ich zog meine Jacke an, nicht ohne zuvor mein Schulterholster umgelegt und meine neue FN Automatik durchgeladen zuhaben. Niemand will, dass die Leute mit einem betrübten Kopfschütteln über ihn sagen: »Er hatte das Durchladen vergessen.«
Auf den Fluren begegnete ich niemandem, hörte aber genügend merkwürdige Geräusche durch Zimmertüren, um zu hoffen, dass irgendein Hauskanal Slasher-Filme zeigte. Der Lift war ebenfalls leer, aber ich hätte schwören können, dass jemand die Klimaanlage weit über das vernünftige Maß aufgedreht hatte, weil mir auf der ganzen Fahrt bis »EG – Lobby« etwas ins Genick wehte, das sich wie ein kalter Atem anfühlte. Zeichen und Omen. In meiner Welt sind sie leider so allgegenwärtig wie Werbung und noch schwerer auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.
In der Lobby war immer noch jede Menge los: Leute meiner und anderer Couleur kamen und gingen oder standen in Grüppchen herum und plauderten. Beim Anblick einer lachenden Clique weithin als solche zu identifizierender Höllenbrut, die draußen vor dem Eingang rauchte, fragte ich mich, wie viele laufende Fälle Interpol durch schlichtes Belauschen dieser fröhlichen Unterhaltung hätte lösen können.
Die Bar war voll, aber
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