Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
nicht brechend voll. Ich blieb im Eingang stehen und sah mich nach Sitri oder seinen Bodyguards um, aber trotz der vielen bizarren Gestalten im Raum sichtete ich doch nichts so Bizarres wie den Prinzen. Dann nahm ich plötzlich aus dem Augenwinkel etwas Helles wahr.
    Sie saß an der Bar, mit dem Rücken zu mir, doch auch ohne den Strom von blassgoldenem Haar, der sich über ihre Schultern und ihren Rücken ergoss, hätte ich diese schlanke Gestalt jederzeit und überall erkannt. Sie trug einen schwarzen Rock, der ihre wohlgeformten hellen Beine zur Geltung brachte, und ein rotes Kaschmiroberteil, das so eng anlag wie eine zweite Haut und den zarten Verlauf ihrer Wirbelsäule nachzeichnete wie eine scharlachfarbene topografische Karte. Ehe ich eine Chance hatte, mir einzureden, es könnte ja jemand anders sein, vergeblich zu leugnen, was in jedem Nerv meines Erdenkörperspulste, wandte sie sich dem Barmann zu, und ich sah ihr Gesicht im Profil. Tatsächlich, es war die Gräfin von Coldhands persönlich, so wie ich sie vom ersten Moment an gekannt hatte. Es war Caz, und sie war allein, als ob sie auf jemandem wartete. Als ob sie auf mich wartete.

32
MIT DAS TRAURIGSTE

    I ch kann Ihnen sagen, dies waren ein paar intensive Sekunden. Da saß sie und blickte in den Spiegel hinter der Bar, und es war wie in einem dieser Filme, wo nur noch der eine einzige Spot leuchtet und alles andere dunkel wird: Ich sah nur noch sie. Ich hatte meine Gefühle die letzten zwei Tage so angestrengt unterdrückt, dass ich von dem Verlangen, das durch mich hindurchströmte, ganz wacklige Knie bekam. Sie war so schön. Ihr Gesicht war vollkommen.
    Nein, nicht ganz, ging mir auf: Jene Art Vollkommenheit gab es nur auf bearbeiteten Fotos, aber Caz kam dem sehr nahe. Ihr einziger Makel – der mir nicht als Makel erschien – war, dass ihr die prägnante, schmale Nase und der feine Knochenbau etwas Zerbrechliches gaben, das Aussehen von etwas Wildem, das einen Käfig gekannt hatte, das wusste, es konnte gebrochen werden, und vor nichts so viel Angst hatte wie davor.
    Sie sah jung aus, aber auch so, als würde sie vielleicht nicht gut altern. Sie sah aus, als ob sie Verletzungen davontragen könnte und wohl auch würde. Aber dennoch, mein Gott, war sie schön.
    Und sie würde ja nie altern, wurde mir plötzlich klar. Sie würde immer so aussehen oder zumindest, so lange sie es wollte. Casimira von Coldhands würde nie älter werden, als sie jetztwar. Aber für mich war das ohnehin nicht von Bedeutung. Es sprach vieles dafür, dass ich, auf die eine oder andere Weise, auch nicht älter werden würde.
    Als ich auf sie zuging, spürte sie offenbar meine Gegenwart oder zumindest die Tatsache, dass sie beobachtet wurde, was mich nicht überraschte – ich hatte wohl in meinem ganzen kurzen Engelsleben noch nie jemanden oder etwas so eindringlich angestarrt. Sie hier im Ralston zu sehen, verdutzte mich so sehr, dass mir nichts einfiel, was ich sagen könnte.
    Sie drehte sich um, und ihre Augen weiteten sich.
    »Hallo, Caz«, brachte ich heraus. Nicht gerade genial? Ich würde gern mal sehen, was Ihnen unter solchen Umständen einfiele.
    In ihrem Gesicht stand jetzt fast schon Panik. »Bobby, was machst du denn hier?«
    »Was ich hier mache? Was machst du hier?« Ich fühlte mich plötzlich total auf dem Präsentierteller, aber wenn uns jemand in der Bar beobachtete, dann überaus dezent. »Warum hast du mich nicht zurückgerufen?« Jetzt, da ich vor ihr stand, überkam mich Wut. Aber die war nur ein Teil des Sturms von Gefühlen in mir. Für diejenigen, die nichts anderes kennen: Es ist wirklich verrückt, in einem menschlichen Körper zu leben. Man fühlt die Hormone in den Blutstrom schießen, fühlt, wie sich Haare sträuben, wie die Haut sich dehnt und zusammenzieht, fühlt sich von Kampf- oder Fluchtreflexen überwältigt wie das Tier, das man ist. Oder war. Ich wollte sie ergreifen, küssen, in mein Zimmer schleppen, aber genauso intensiv wollte ich sie schütteln, bis ihr Tränen in diese rotkehlcheneiblauen Augen schossen, sie spüren lassen, wie weh sie mir getan hatte. Aber zugleich hatte ein anderer Teil von mir Angst, dass einer von Eligors Lakaien sie entdecken würde und mir nur die Wahl bliebe, in irgendeine tödliche Konfrontation zu gehen oder hilflos zuzusehen, wie sie zu der Bestie zurückgeschleift wurde, diesie betrogen hatte und die, wie ich bereits wusste, kein guter Verlierer war.
    »Du kannst hier nicht sein, Bobby!« Sie

Weitere Kostenlose Bücher