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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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keine Spur mehr von ihm zu entdecken.
    Ich fuhr zurück zur Magianischen Gesellschaft und verschaffte mir Zutritt, aber Habari hatte nichts hinterlassen als gekappte Telefonleitungen und herausgerissene Elektrokabel. Sein Geschäftssitz war jetzt eine leere Höhle, Gipskarton, Industrieteppichboden und Beton – noch nicht mal ein Versicherungswerbekalender an der Wand.
    Ich verfluchte mich ausgiebig, dass ich erst jetzt hierher zurückgekommen war. Ich hatte mich von dem ganzen anderen Kram aufhalten lassen, wobei zugegebenermaßen der ganze andere Kram unter anderem darin bestanden hatte, fast umgebrachtund von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei festgenommen zu werden. Trotzdem, ich hätte nicht so lange warten dürfen. Den dubiosen Kerl hatte ich nur um ein paar Minuten verpasst, und ich hätte ihn so gern hier in diesem verlassenen Büro vor mir gehabt, um ihm ein paar eindringliche Fragen zu stellen, aber damit war’s jetzt wohl nichts mehr.
    Ich fuhr wieder in belebtere Gegenden zurück.
    Das Compasses vermisste ich sehr. Nicht in meine Stammkneipe zu können, wäre schon unter normalen Umständen hart gewesen, aber jetzt, da ich von Motel zu Motel zog, war es niederschmetternd: Ich war von den meisten meiner Freunde abgeschnitten und aus meinem Zuhause vertrieben. Darum war ich sauer – stinksauer –, und ich hatte natürlich Angst, aber mir war auch einfach langweilig. Im Grund war es ein bisschen wie im Krieg.
    Ich suchte mir schon frühzeitig meine Unterkunft für die Nacht, ein Budget-Motel in der Nähe vom Bayshore, saß dann da, guckte ein Preseason-Spiel der Giants im Fernsehen und nuckelte an einem Bier. Sam rief mich zurück, sagte aber, er habe einen Klienten, mit dem er wahrscheinlich noch eine ganze Weile beschäftigt sein würde. Ich wäre sogar bereit gewesen, einen Abend mit Clarence herumzuhängen, aber Sam sagte, der Junge sei schon nach Hause gegangen. In einem Anfall von Langeweile rief ich ihn sogar an, aber er ging nicht dran. Ich fragte mich, ob er mit seiner Adoptivfamilie gemütlich beim Abendessen saß und sich eine Weile fast wie ein Mensch fühlen konnte.
    Als kurz darauf mein Handy klingelte und es Alice war, die mir einen Klienten zuwies, war ich so erfreut wie noch über keine Todesnachricht zuvor. Schrecklich, ich weiß, aber ich bin nur ehrlich: Ich lechzte danach, irgendwas anderes tun zu können als zuzuschauen, wie eine Horde unterklassiger Baseballspieler, die ich nicht kannte, einmal ihr Glück gegen die Großen versuchen durfte.
    Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Verstorbenen um einen Stanford-Studenten handelte, der aus einem Wohnheimfenster gefallen war, also zeigte ich den Wachleuten am Teller Gate einen meiner falschen Ausweise und fuhr auf den Campus. Das betreffende Wohnheim lag ganz am Westend, wo die Bäume dicht und die Hügel nah sind. Ich stellte meinen Wagen auf einem der Parkplätze ab und ging zu Fuß weiter, wobei ich jedem, der mich misstrauisch ansah, meinen Presseausweis zeigte, ansonsten aber nicht aufzufallen versuchte. Das beherrsche ich so gut, dass ich, als ich beim Wohnheim – einer Insel von blinkenden Lichtern inmitten von Dunkel – anlangte, ebenso gut unsichtbar hätte sein können: Niemand blickte auch nur auf, als ich durch die äußere Barrikade von Polizeifahrzeugen des Campus spazierte. Es waren drei normale Streifenwagen und mehrere Vehikel, die Ähnlichkeit mit Golfcarts hatten. Das Haus war mit Karnevalsdeko und selbstgemalten Schildern behängt: Offenbar war das Entertainment des heutigen Abends eine Faschingsparty gewesen. Ich blickte kurz zu dem Zelt hinüber, das über dem Leichnam des unglücklichen Studenten errichtet worden war, öffnete dann einen Reißverschluss und trat ins Außerhalb.
    Es war eine große Erleichterung, die Seele des toten Burschen hier tatsächlich warten zu sehen, angetan mit einer fleckigen Toga und ineinander verhakten Ketten von bunten Karnevalsperlen. Er sah vermutlich ziemlich genauso aus wie im Leben (wenn auch zweifellos besser als im Tod, nachdem er kopfüber aus einem Fenster im vierten Stock auf den Asphalt gestürzt war). Er hatte diese Sorte Frisur, die mich immer irritiert: das Haar von beiden Seiten hochgebürstet, sodass es in der Mitte eine Art Delphinflosse bildet.
    »Brady Tillotson«, sagte ich. »Gott liebt Sie.«
    »Was soll der Scheiß?«, fragte er und funkelte mich so grimmig an, als hätte ich ihn aus dem Fenster gestürzt, obwohl diezersplitterten Flaschen bei

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