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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Hafen und war in der
Nähe des Anlegers in eine Schlägerei verwickelt worden, bei der er schwere Verletzung davongetragen hatte. Seine Angehörigen wagten nicht, einen christlichen Arzt aus der Stadt hinzuzuziehen, und Annas Ruf hatte sich inzwischen verbreitet.
    Als sie ihn zum ersten Mal aufsuchte, blutete er stark. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ein Verfahren auszuprobieren, das ihr Vater in besonders schweren Fällen angewendet hatte. Er hatte es in jungen Jahren auf den Reisen gelernt, die ihn in Gebiete nördlich und östlich des Schwarzen Meeres geführt hatten. Sie sammelte das Blut in einem sauberen Gefäß, das sie nahe ans Feuer stellte, säuberte die Wunde und legte so lange Schichten von Baumwolltuch darauf, bis die Blutung zum Stillstand kam. Bis es so weit war, sprach sie freundlich mit dem Mann, um seine Ängste zu beschwichtigen, außerdem gab sie ihm eine Tinktur gegen den Schmerz.
    Mit dem geronnenen Blut aus dem Topf bestrich sie die Wunde, um sie auf diese Weise zu verschließen. Als sie ganz sicher war, dass sie nicht weiterbluten würde, vermengte sie ihre heilkräftigsten Kräuter, die sie zu einem feinen Pulver zerstoßen hatte, mit Butter zu einem Brei, den sie ebenfalls aufstrich, um zu verhindern, dass der Verbandstoff an der Wunde festklebte. Sie verließ das Haus lediglich, um weitere Kräuter zu kaufen, und wachte dann wieder am Lager des Verletzten.
    Bei den venezianischen Lauten um sie herum musste sie unwillkürlich an Giuliano Dandolo denken. Sie wusste nicht, warum er so plötzlich abgereist war, merkte aber, dass er ihr fehlte, obwohl seine Abwesenheit sie in gewisser Hinsicht auch erleichterte. Unmöglich würden sie je mehr als flüchtige Bekannte sein können, auf keinen Fall eine Beziehung
eingehen, bei der sie über ihre tiefsten Empfindungen und Träume, ihre Freuden und Sorgen redeten und miteinander über kleine Widrigkeiten lachen konnten.
    Dennoch erweckte er Gefühle in ihr, über die nachzudenken sie sich nicht leisten konnte.
    Ja, es bedeutete eine Erleichterung für sie, dass er nach Venedig zurückgekehrt war. Ganz wie Irene Vatatzes brauchte auch sie eine gewisse Betäubung, einen Schutzschild gegen den Schmerz, den bestimmte Empfindungen auslösten.

KAPİTEL 46
    Anna suchte Irene wieder auf, sobald sich ihr Patient aus dem venezianischen Viertel hinreichend erholt hatte. Irene, deren Geschwüre deutlich zurückgegangen waren, lag nicht mehr im Bett und trug eine schlichte, nahezu strenge Tunika. Helena wollte sie besuchen, wurde aber nicht vorgelassen.
    »Ich habe keine Lust, sie zu empfangen, wenn mein Gesicht aussieht wie das Haupt der Gorgo«, sagte Irene, sich selbst verspottend, zu Anna. Es klang zwar fröhlich, doch als sie sich abwandte, sah man an ihren Augen und ihren verspannten Schultern, dass sie litt.
    Anna zwang sich zu lächeln.
    »Ich frage mich, wie die schöne Helena ausgesehen haben mag, dass Männer bereit waren, ihretwegen nicht nur eine Stadt in Schutt und Asche zu legen, sondern außerdem eine ganze Zivilisation zu zerstören«, fuhr Irene fort, als gebe es keinen anderen Gesprächsstoff.

    »Man hat mir gesagt, dass der Begriff der Schönheit bei den Griechen der Antike weit über das Äußere hinausging«, gab Anna zurück. »Er bezog sich auch auf den Geist, den Verstand, die Vorstellungskraft und das Herz. Für jemanden, der nichts als ein schönes Gesicht will, genügt auch ein Standbild. Das kann man zu allem Überfluss vollständig besitzen und braucht es nicht einmal zu ernähren.« Sie überlegte, ob Irenes Hang zur Selbsterkenntnis der Grund für die Zurückweisung durch Grigorios gewesen war. Hatte ihre Überzeugung, hässlich zu sein, dazu geführt, dass sie anderen ebenso erschien? Und wäre ihre Hässlichkeit den anderen nicht aufgefallen, wenn sie sich anders verhalten hätte?
    Anna sah sie an. Irene bewegte sich nicht unbeholfener als viele andere Frauen ihres Alters. Lebenserfahrung und Klugheit ließen ihr Gesicht auf eine Weise bedeutend erscheinen, wie das in ihrer Jugend sicherlich nicht der Fall gewesen war. War Irene nicht bereit gewesen, das selbst zu sehen?
    Sie liebte und hasste Grigorios. Der Blick in ihren Augen wie auch die Anspannung ihrer Hände verrieten sie. Sie war überzeugt, man könne nicht mit ihr lachen oder zärtlich zu ihr sein, niemand könne sie lieben, jedenfalls nicht glühend und mit dem verzweifelten Hunger, der nach wechselseitiger Leidenschaft verlangt.
    Als Dimitrios Anna später im

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