Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Kette eines Seidengewebes.
Dann hieß es eines Tages, er sei wieder zu Hause. Zoe hörte es von ihren Dienern, aber auch von Helena. Bestimmt würde er kommen, außerstande, dem Drang zu widerstehen. Zoe hatte mehr Geduld als er, war schon immer fähig gewesen, länger zu warten, ganz gleich, wie viel es sie gekostet hatte. Dennoch schritt auch sie unruhig auf und ab, fuhr Thomais an und warf einen Teller nach ihr, der sie an der Wange traf und verletzte, so dass scharlachrotes Blut über die schwarze Haut lief. Sie ließ Anastasios kommen, damit er die Wunde nähte, sagte ihm aber nichts.
Als Grigorios schließlich kam, war sie doch überrascht. Trotz aller Bilder, die sie von ihm im Kopf hatte, fuhr sie zusammen, als sie ihn eintreten sah. Sie hatte gelesen und alle Öllampen entzündet, um besser sehen zu können, jetzt war es zu spät, die Beleuchtung zu dämpfen.
Er kam mit schleppendem Schritt herein. Graue Fäden durchzogen sein nach wie vor volles Haar, sein Gesicht war eingefallen. Doch unverändert war seine Stimme, die ihr Innerstes jedes Mal unfehlbar ins Schwingen gebracht hatte,
die sorgfältige Aussprache, die so klang, als sei er in die Wörter und ihren tiefen Nachhall verliebt.
»Hier sieht es eigentlich aus wie immer«, sagte er, während er den Blick seiner schwarzen Augen durch den Raum gleiten ließ. »Und du trägst noch immer die gleichen Farben. Wie schön. Manches sollte sich nie ändern.« Sie hatte das sonderbare Gefühl, als sei in ihrem Inneren ein Vogel gefangen. Unwillkürlich trat ihr das Bild vor Augen, wie Arsenios auf dem Fußboden seines eigenen Hauses mit vor Hass sprühenden Augen Blut hervorgewürgt hatte.
»Guten Abend, Grigorios«, sagte sie wie beiläufig und tat einen Schritt auf ihn zu. »Trotz all der Jahre, die du in Ägypten verbracht hast, siehst du immer noch aus wie ein Byzantiner. Hattest du eine gute Reise?«
»Sie war fürchterlich anstrengend«, gab er mit leisem Lächeln zurück, »aber wenigstens sicher.«
»Bestimmt findest du, dass sich hier viel verändert hat.«
»Unbedingt. Vieles ist wieder aufgebaut worden, aber noch längst nicht alles. Die Seemauern hat man, wie ich gesehen habe, weitgehend wieder instand gesetzt, aber es gibt weder Zirkusspiele noch Wagenrennen im Hippodrom«, bemerkte er. »Und Arsenios ist tot.«
»Ich weiß.« Auf diesen Augenblick war sie vorbereitet. »Ich kann Euren Verlust nachfühlen. Aber Irene und Dimitrios geht es gut. Mir ist allerdings bewusst, dass du ihnen gefehlt hast.« Sie sagte das aus Höflichkeit.
Er zuckte die Achseln. »Möglich. Dimitrios spricht viel von Helena.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich hatte mir schon immer gedacht, dass sie Bessarions müde würde. Offen gestanden, hat es länger gedauert, als ich erwartet hatte.«
»Bessarion ist tot«, gab sie zurück.
»Ach, tatsächlich? Er war doch noch jung, jedenfalls zu jung zum Sterben.«
»Man hat ihn ermordet«, teilte sie ihm mit. Ihre Stimme klang unbeteiligt.
Ein Ausdruck von Belustigung trat auf seine Züge und verschwand ebenso rasch, wie er gekommen war. »Was du nicht sagst. Und wer hat das getan?«
Zoe hatte ihm nicht in die Augen sehen wollen, aber der Impuls war unwiderstehlich. Sie erkannte die Klugheit in ihnen, wie auch ein tiefes Verstehen. Seinem Blick auszuweichen wäre gleichbedeutend mit einer Niederlage gewesen. »Ein junger Mann namens Antonios, soweit ich gehört habe. Es heißt, einer seiner Freunde, Ioustinianos Laskaris, habe die Leiche weggeschafft.«
Erstaunt fragte Grigorios: »Aber warum nur? Wenn je ein Mann ganz und gar unfähig war, dann Bessarion. Doch nicht etwa Helenas wegen? Ihre Affären haben ihn doch völlig kaltgelassen, solange niemand davon erfuhr.«
»Natürlich ging es nicht um Helena«, sagte sie mit Schärfe in der Stimme. »Er hatte an der Spitze des Widerstandes gegen die Union mit Rom gestanden und galt geradezu als Held unserer Religion.«
»Interessant.« Es klang, als ob er es ernst meinte. »Dann waren die beiden, die ihn aus dem Weg geräumt haben, wohl für den Zusammenschluss?«
»Aber nein – sie waren ganz und gar dagegen. Vor allem Ioustinianos«, gab sie zurück. »Gerade das lässt die Sache ja so sinnlos erscheinen.«
»Wirklich erstaunlich. Und was ist mit Helena? Wollte sie lieber die Gattin oder die Witwe eines Helden sein? Immerhin war Bessarion ein ausgesprochener Langweiler.«
»Das kann man wohl sagen. Übrigens hatte es schon
vorher mehrere Versuche
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