Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
gegeben, ihn umzubringen: zweimal mit Gift, und das dritte Mal wollte ihn jemand auf offener Straße erdolchen.«
»Das war aber nicht dieser Antonios?«
»Mit Sicherheit nicht. Er war kein Stümper, ganz im Gegenteil, und dasselbe gilt für Ioustinianos Laskaris.«
»Dann hat vielleicht Helena dahintergesteckt«, sagte er nachdenklich. »Hast du ›Laskaris‹ gesagt? Eine gute Familie. «
Sie gab keine Antwort. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und ihr die Luft knapp wurde.
Grigorios lächelte. Seine Zähne waren immer noch leuchtend weiß und stark. »Du hast dich nie hinter anderen versteckt, Zoe«, sagte er leise. In seiner Stimme lag Billigung. »Wenn du die Absicht hättest, jemanden umzubringen, würdest du das eigenhändig tun, weil du dich dann erstens auf den Erfolg verlassen könntest und es zweitens sicherer ist, keine Mitwisser zu haben. Aber auch wenn man mit noch so großer Sorgfalt und Heimlichkeit vorgeht, besteht trotzdem immer die Gefahr, dass es herauskommt. «
»Aber es gibt dann keine Beweise«, sagte sie mit einer Stimme, der man das Zittern kaum anhörte.
Er tat einen weiteren Schritt auf sie zu, bis er dicht vor ihr stand, legte seine Finger auf ihre Wange und küsste sie auf vertraute Weise und lange, als habe er beliebig viel Zeit.
Sie beschloss anzugreifen. Das war einer ihrer Grundsätze: im Zweifelsfall immer angreifen. Als sie den Kuss mit der gleichen Vertrautheit erwiderte, mit Lippen, Zunge und ihrem ganzen Leib, wich er zurück.
»Wer auf Rache aus ist, braucht nichts zu beweisen«, sagte er, »er muss lediglich seiner Sache sicher sein.«
»Von Rache verstehe ich etwas«, gab sie zurück. »Nicht um meiner selbst willen – niemand hat mich so tief verletzt, dass ich mich dafür rächen müsste –, wohl aber um meiner Stadt willen, die man geschändet und ihrer heiligen Reliquien beraubt hat. Glaub mir, Grigorios, ich verstehe etwas davon.«
»Ich werde wohl nie an Byzanz denken können, ohne zugleich an dich zu denken, Zoe. Aber es gibt auch andere Bindungen, beispielsweise Blutsbande. Wir alle müssen eines Tages sterben, aber wenn du nicht mehr bist, wird Byzanz nie wieder sein wie zuvor. Etwas wird fehlen, und ich werde es vermissen!« Erneut ließ er den Blick durch den Raum schweifen, dann wandte er sich rasch auf dem Absatz um und ging.
Er hatte begriffen, dass sie Arsenios getötet hatte. Um ihr das zu sagen, war er gekommen. Er würde abwarten, während sie sich fragte, wann und auf welche Weise er die Rache vollziehen würde. Grigorios hatte sich für das Genießen schon immer Zeit gelassen, ganz gleich, ob bei leiblichen oder geistigen Freuden. Daran konnte sie sich gut erinnern. Er war ein Mensch, der den Genuss in die Länge zog.
Sie stand da und hatte die Arme um sich selbst geschlungen. Vergebung für die Schändung der Stadt Konstantinopel war erst dann möglich, wenn für alles bezahlt war. Dieser Gedanke durfte nie in den Hintergrund treten, die Wunde nie heilen.
Ganz oben auf der Liste derer, denen sie den letzten Tropfen Blut abpressen musste, stand der Urenkel des Ungeheuers, das den zerstörerischen Kreuzzug angeführt hatte, Giuliano Dandolo.
Sie trat ans Fenster und sah, wie der aufgehende Mond sein silbernes Licht über das Goldene Horn ausgoss. Dann
machte sie sich daran zu planen, auf welche Weise sie Grigorios vernichten wollte. Es tat ihr leid, doch es musste sein.
Sie erinnerte sich mit Wonne und Bedauern an ihn. Ob sie noch ein letztes Mal mit ihm das Lager teilen sollte? Sie würde seinen Tod betrauern, möglicherweise mehr als Irene.
KAPİTEL 48
Wichtiger als die vergleichsweise unbedeutende Überlegung, auf welche Weise sie Grigorios vernichten konnte, war für Zoe das Bewusstsein, dass er gewarnt war. Ihre Waffe war das Gift, das sie gegen den Geist wie auch gegen den Körper einsetzte. Sie konnte Menschen verführen, provozieren, bis zur Weißglut reizen und sogar dazu bringen, sich selbst zugrunde zu richten. Jede Stärke ließ sich in eine Schwäche verwandeln, wenn man sie übertrieb. Selbst der Gold-Besant, die herrlichste aller Münzen, hatte zwei Seiten.
Sie betrachtete sich im Spiegel. Wenn nicht gerade grelles Sonnenlicht auf ihr Gesicht fiel, sah sie immer noch schön aus. Sie war nie unentschlossen gewesen, nie feige. Ob er diese Eigenschaft gegen sie verwenden würde? Zweifellos, sofern er eine Möglichkeit dazu sah.
Aber auf welche Weise? Er würde sie dazu herausfordern, ihn anzugreifen – das
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