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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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lassen«, sagte er freundlich, doch lag in seiner Stimme eine unüberhörbare Mahnung. Keinesfalls durfte sie vergessen, dass man Ioustinianos dort gefangen hielt und die Erlaubnis, unter vier Augen mit ihm zu sprechen, ein Privileg war.
    Man ließ sie in einer luftlosen Zelle mit steinernen Wänden warten, die so klein war, dass sie nur wenige Schritte darin machen konnte. Als sie hörte, wie die schwere Tür geöffnet wurde, fuhr sie herum.
    Auf den ersten Blick sah Ioustinianos aus wie immer. Ihr Herz klopfte heftig, und sie konnte kaum atmen. Die seit ihrer letzten Begegnung vergangenen Jahre schwanden mit einem Schlag dahin, und alles, was inzwischen geschehen war, verlor jede Wirklichkeit.
    Er sah sie verwirrt an, kniff die Augen zusammen, um etwas sehen zu können. Auf seine Züge trat ein Ausdruck von Hoffnung und dann von Angst.
    Der Mönch hinter ihm wartete.

    Sie musste die Situation rasch erklären, bevor sie oder er sich verriet. »Ich bin Arzt«, sagte sie laut und vernehmlich. »Ich heiße Anastasios Zarides. Kaiser Michael Palaiologos hat mir die Erlaubnis gewährt, mit Euch zu sprechen, sofern Ihr dem zustimmt.«
    Obwohl sie ihre Stimme so hatte klingen lassen wie die eines Eunuchen, erkannte er sie sofort. Unendliche Freude leuchtete in seinen Augen auf, doch er blieb reglos stehen, solange er den Mönch hinter sich wusste. Mit leicht zitternder Stimme sagte er: »Ich werde gern mit Euch sprechen … da es der Wille des Kaisers ist.« Er wandte sich dem Mönch halb zu. »Danke, Bruder Thomas.«
    Dieser neigte den Kopf und zog sich zurück.
    »Anna! Was, in Gottes Namen – «, begann er.
    Sie schnitt ihm das Wort ab, indem sie vortrat und ihn in die Arme schloss. Er hielt sie seinerseits so fest an sich gedrückt, dass es sie schmerzte, doch es war ein willkommener Schmerz.
    »Wir haben nur wenige Minuten.« Sein Körper war knochig und abgezehrt, viel sehniger als früher. Er sah älter aus, hager. Sie merkte jetzt auch, dass die Linien in seinem Gesicht tiefer eingeschnitten waren, vor allem unter den Augen.
    »Du siehst aus wie ein Eunuch«, sagte er, wobei er sie nach wie vor in den Armen hielt. »Was, um Himmels willen, tust du? Sieh dich vor! Wenn die Mönche dahinterkommen, werden sie …«
    Sie trat einen Schritt zurück und sah zu ihm hoch. »Ich kann das ganz gut«, sagte sie mit kläglicher Stimme. »Ich habe mich nicht eigens so gekleidet, um hier hereinzukommen. Ich lebe schon eine ganze Weile so …«
    Mit ungläubiger Stimme fragte er: »Warum denn nur?
Du bist schön und kannst deinen Beruf auch als Frau ausüben. «
    »Dafür gibt es verschiedene Gründe.« Sie brachte es nicht über sich, ihm zu sagen, dass sie nicht wieder heiraten konnte und warum nicht. Damit brauchte sie ihn nicht zu belasten. »Meine Praxis geht gut«, fuhr sie rasch fort. »Ich bin oft im Kaiserpalast, behandle dort die Eunuchen und mitunter sogar den Kaiser.«
    »Anna!«, fiel er ihr ins Wort. »Tu das nicht! Keine Praxis ist es wert, eine solche Gefahr auf sich zu nehmen!«
    »Ich tue es nicht wegen der Praxis«, gab sie zurück, »sondern um genug herauszubekommen, um zu beweisen, warum du Bessarion Komnenos getötet hast. Es hat so lange gedauert, weil ich zu Anfang nicht einmal wusste, warum man ihn überhaupt hätte töten sollen. Aber inzwischen weiß ich es.«
    Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, da er die Tragweite dessen, was sie gesagt hatte, begriff. »Du kannst mir nicht helfen, Anna«, stieß er leise hervor, und sein Ton wurde flehentlich: »Lass dich da nicht mit hineinziehen. Du hast keine Vorstellung davon, wie gefährlich das ist. Du kennst Zoe Chrysaphes nicht …«
    »Doch – ich bin ihr Arzt.« Sie sah ihm in die Augen. »Ich bin davon überzeugt, dass sie sowohl Kosmas Kantakouzenos als auch Arsenios Vatatzes auf dem Gewissen hat. Außerdem hat sie Grigorios Vatatzes mit einem Dolch die Kehle durchgeschnitten und die Verantwortung dafür dem Gesandten Venedigs zuzuschieben versucht.«
    Er sah sie verständnislos an. »Versucht?«
    »Ich habe sie daran gehindert.« Sie spürte, wie ihr Gesicht brannte. »Du brauchst das jetzt nicht in Einzelheiten zu wissen. Ich kenne Zoe wie auch Helena, Irene und Dimitrios«,
fuhr sie hastig fort. »Und selbstverständlich kenne ich Bischof Konstantinos.«
    Bei diesem Namen lächelte er. »Wie geht es ihm? Ich erfahre hier so wenig.«
    »Fragst du mich das als seinen Arzt?« Es klang munter, aber sie sagte es, weil ihr mit einem Mal aufging,

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