Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Hier in der Stadt lebt ein guter Mensch, der anderen stets beigestanden und sein Geld den Armen gegeben hat. Alle, die ihn kennen, lieben ihn. Er ist Venezianer und heißt Andrea Mocenigo. Er ist sich der verzweifelten Lage bewusst, weiß, dass die Stadt unmittelbar von Zerstörung bedroht ist, und ist bereit zu helfen.«
Konstantinos verstand nicht. »Auf welche Weise? Was könnte er tun?«
»Er ist krank«, sagte Vicenze. »Er wird ein Gift einnehmen, das ihn niederwirft. Wenn Ihr zu ihm geht und ihn im Namen Gottes und der Heiligen Jungfrau segnet, werde ich ihm unauffällig ein Gegengift einflößen, und er wird genesen. Die Nachricht von dieser unbestreitbaren Wunderheilung wird sich sogleich in allen Gassen der Stadt verbreiten. Dann wird in den Menschen der Glaube lebendig werden wie Feuerflammen, und sie werden wieder hoffen.« Er unterließ es hinzuzufügen, dass man Konstantinos als Helden, wenn nicht gar als Heiligen feiern würde.
Ein scharfer Zweifel durchzuckte das Gehirn des Bischofs. »Und warum tut Ihr das nicht selbst? Dann würden die Menschen das Verdienst daran Rom zusprechen.«
Vicenze zog die Mundwinkel herab. »Mir misstraut man«, sagte er schlicht. »Es muss jemand sein, den die Menschen der Stadt ihr Leben lang im Dienste Gottes gesehen haben. Außer Euch kenne ich in ganz Konstantinopel niemanden, auf den das zuträfe.«
Alles, was Vicenze sagte, hatte Hand und Fuß, das war Konstantinos bewusst. Bei Licht besehen, war das genau die Situation, auf die er sein ganzes Leben hingearbeitet und gewartet hatte.
»Wer weiß, ob nicht Gott ein echtes Wunder schickt«, schloss Vicenze.
Was auch immer Vicenze tun und der ihm verhasste Palombara sagen mochte, Konstantinos würde sich davon nicht beeindrucken lassen und ohne Furcht und Zweifel seinen Weg gehen, sein Ziel so leuchtend vor sich wie ein hell brennendes Licht. Er würde nicht versagen.
Aber er würde sich auf seine Klugheit sowie seine Erfahrung verlassen und seine eigenen Sicherheitsvorkehrungen
treffen, ohne Vicenze etwas davon zu sagen, denn der blieb trotz allem der Feind, auch wenn er jetzt nützlich sein mochte.
»Ich habe nicht die Absicht, in eine theologische Diskussion einzutreten«, sagte Konstantinos heftig. Er hatte Anastasios um seinen Beistand gebeten, woraufhin dieser lebhafte Einwände gegen seinen Plan erhoben hatte. »Ihr sollt lediglich für den Fall, dass man Vicenze nicht trauen kann, Mocenigo als Arzt betreuen, nichts weiter.«
»Natürlich gibt es keinen Grund, ihm zu trauen«, sagte Anastasios bitter. »Was könnte ich denn überhaupt tun?«
»Ein Gegengift bereithalten. Solltet Ihr Euch dieser Bitte verweigern, würdet Ihr Mocenigo und damit das Volk von Byzanz im Stich lassen.«
Anastasios seufzte. Ihm blieb keine Wahl, und das war dem Bischof ebenso bewusst wie ihm selbst. Falls er sich gegen den Plan auflehnte oder ihn dem Volk enthüllte, würde er den letzten Rest an Glauben zerstören, den die Menschen noch besaßen, wenn nicht gar den entscheidenden Anstoß zu einer Panik geben, die den Untergang aller bedeuten würde.
KAPİTEL 93
Beim Betreten von Mocenigos Haus dachte Anna nur flüchtig daran, dass Giuliano lange dort gelebt hatte, denn ihre ganze Sorge galt dem Leiden des Kranken. Im Hause herrschte die Stille, die mit dem Bewusstsein einherging, dass ein geliebter Mensch nicht mehr lange zu leben hatte.
Die Besorgnis und die Ängste seiner Angehörigen lagen förmlich greifbar in der Luft.
Mocenigos Gemahlin Theresa empfing sie an der Tür des Krankenzimmers. Die tiefen Augenringe in ihrem bleichen Gesicht zeugten von Schlafmangel.
»Ich bin froh, dass Ihr hier seid«, sagte sie schlicht. »Die Arznei, die er zuletzt bekommen hat, scheint seinen Zustand verschlechtert zu haben. Wir sind Bischof Konstantinos dankbar für seinen Zuspruch, denn Gott ist unsere Zuflucht und unsere Stärke.«
Anna kam der Verdacht, dass man Mocenigo in das ›Wunder‹ eingeweiht haben könnte, seine Frau hingegen nicht. Sie folgte ihr hinein.
Wegen der ungeachtet der großen Hitze geschlossenen Fenster ließ sich die mit dem Geruch von Schweiß und Krankheit erfüllte Luft kaum atmen.
Mocenigo lag auf dem Bett. Sein Gesicht war stark gerötet und aufgedunsen. Um den Mund herum sah man Pusteln. Anna nahm nicht an, dass das Mittel, das sie in einem Fläschchen mit sich führte, gegen diese Krankheit etwas ausrichten konnte.
Mocenigo schlug die Augen
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