Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Sie erreichte ihn in dem Augenblick, als er sich zur Seite warf und zu Boden fiel, wobei er Blut erbrach. Sie konnte nichts tun, als ihn aufrecht zu halten, damit er nicht erstickte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er ein letztes Mal zuckte und sein Herz stillstand.
Der in der Menge am weitesten vorn stehende Mann stieß einen Schrei aus, stürmte vor und riss Konstantinos um. Andere drängten mit wütendem Gebrüll und um sich schlagend nach. Sie rissen den Bischof vom Boden hoch, verfluchten ihn, schlugen mit Fäusten auf ihn ein, wo sie ihn trafen, traten nach ihm und bewarfen ihn mit allem, was ihnen in die Hände fiel. Sie schienen fest entschlossen, ihn in Stücke zu reißen.
Hilflos sah Anna zu, wie man ihn davonschleppte. Sein Gesicht war vor Entsetzen verzerrt. Mit einem Mal erkannte sie Palombara in der Menge. Ihre Blicke trafen sich, und sogleich begriff sie, dass er vorausgesehen hatte, was geschehen würde: Vicenzes Plan, das Gift, die Gewalttätigkeit. Sie
ließ Mocenigo zu Boden sinken. Niemand konnte mehr etwas für ihn tun, außer ihm ein Tuch über das Gesicht legen, damit die Gaffer nicht sehen konnten, welche Todesqualen er gelitten hatte. Dann eilte sie auf die Männer zu, die dabei waren, Konstantinos davonzuschleppen, und schrie, bis ihre Kehle schmerzte: »Hört um Gottes willen auf! Ihr dürft ihn nicht töten!« Ein harter Schlag, der sie an Rücken und Schulter traf, schleuderte sie gegen den Mann vor ihr, und bei einem weiteren Stoß ging sie zu Boden. Um sie herum sah sie nichts als von Hass und Entsetzen verzerrte Gesichter. Es herrschte ein unbeschreiblicher Lärm. So musste die Hölle sein – blinde, irrsinnige Wut.
Sie raffte sich auf, wäre fast wieder zu Boden geschleudert worden und begann in die Richtung zu gehen, in die man Konstantinos geschleppt hatte. Sie rief und flehte, aber niemand achtete auf sie. Dann ertönte ein Entsetzensschrei: Es war eine grelle Männerstimme, doch hätte sie nicht sagen können, wem sie gehörte. Ob das Konstantinos war, den man seines letzten Restes an Würde beraubte? Sie drängte sich erneut voran, bahnte sich den Weg mit lauten Rufen, wild um sich tretend und schlagend.
Palombara sah sie kurz und verlor sie dann wieder aus den Augen. Ihm war klar, was sie tat. Er begriff, welches Entsetzen und welches Mitleid sie antrieben. In jenem Moment, da sich ihre Blicke gekreuzt hatten, war ihm das so deutlich aufgegangen, als sei es seine eigene Empfindung. Bei allem Mut und allem Lebensdrang war sie verletzlich. Die Vorstellung, man könne sie misshandeln oder gar töten, war ihm unerträglich.
Er kämpfte sich zu ihr durch, ohne darauf zu achten, dass seine Fäuste bluteten und man ihm die Gewänder zerriss. Er spürte die Schläge nicht, die ihn trafen. Er musste
Anna unbedingt vor dieser rasenden Menge in Sicherheit bringen. Was danach geschah, lag in Gottes Hand. Ihm war klar, dass man ihn hasste, war er doch als Römer in den Augen der Byzantiner ein Symbol für alles, was wiederholt zu ihrem Untergang geführt hatte.
Erneut traf ihn ein so heftiger Hieb, dass er ihm den Atem nahm und er fast das Bewusstsein verloren hätte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder auf die Beine kam. Trotz seiner entsetzlichen Schmerzen schlug er weiter um sich. Ein hünenhafter Mann verstellte ihm den Weg. Palombara forderte ihn auf, Platz zu machen, und griff ihn dann an, wobei er sein ganzes Körpergewicht in den Schlag legte. Er dachte längst nicht mehr daran, dass er Priester war, ihn erfüllten nur noch Wut und Verzweiflung. Einen Augenblick lang verkörperte dieser Gegner jeden verlogenen und hinterhältigen Kardinal, jeden Papst, der seine Versprechen gebrochen, sich mit Speichelleckern umgeben, die Menschen um sich herum mit seiner Doppelzüngigkeit getäuscht hatte, feige und überheblich gewesen war, wo er tapfer und demütig hätte sein müssen.
Der Hüne ging zu Boden. Blut lief ihm aus dem Mund. Palombara schmerzte der ganze Arm von der Hand bis hinauf in die Schulter.
Wo war Anna? Er stürmte weiter voran, schlug in alle Richtungen um sich und wurde durch Hiebe, die ihn trafen, hierhin und dorthin geschleudert. An einer Schulter klaffte eine blutende Wunde, und seine Brust schmerzte bei jedem Atemzug.
Dann sah er sie vor sich, die Wangen aufgeschürft, die Kleidung voll Staub und Blut. Der Lärm war so groß, dass er sie nicht ansprechen konnte; so fasste er sie einfach am Arm und zog sie hinter sich her – nur fort aus der
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