Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
auf, sah sie an und lächelte trotz der Schmerzen, die er litt. »Ich fürchte, nur ein Wunder kann mich noch retten«, sagte er, wobei ein spöttischer Ausdruck in seinen Augen lag. »Wenn ich auch nur einen oder zwei Tage länger leben könnte, wäre es das wert, sofern das den Glauben der Menschen stärkt. Byzanz war gut zu mir. Davon möchte ich gern etwas zurückgeben. «
Das geplante Täuschungsmanöver bedrückte Anna, und sie hasste Konstantinos, weil er sie genötigt hatte, sich daran zu beteiligen. Doch vielleicht hatte Mocenigo ja Recht,
und es könnte den Menschen etwas nützen. Das wäre sein letztes Geschenk an die, die er liebte.
Auf der Straße wurde es immer lauter, als nehme die Menge vor dem Haus zu. Es hatte sich herumgesprochen, dass Mocenigo im Sterben lag und Konstantinos ihn bald aufsuchen würde. Was mochte alle diese Menschen hergeführt haben – Kummer, Hoffnung oder beides?
Lauter Jubel zeigte, dass der Bischof eingetroffen war. Schon im nächsten Augenblick kam einer seiner Diener an die Tür und verlangte, man solle Mocenigo hinaustragen auf die Treppe vor dem Haus, damit die Menschen ihn sehen konnten.
Anna trat vor, um das zu verhindern, doch ohne auf sie zu achten, erteilte Konstantinos’ Diener Anweisungen. Leute kamen herein, legten den Schwerkranken auf eine Trage und brachten ihn hinaus. Niemand nahm Annas Bedenken zur Kenntnis. Sie war nichts weiter als ein Arzt, während Konstantinos im Namen Gottes sprach.
Sie folgte den anderen hinaus. Mocenigo sagte nichts, vielleicht war er zu schwach, um aufzubegehren. Mit aschfahlem Gesicht hielt seine Frau den Blick auf den Diener des Bischofs gerichtet.
Inzwischen hatten sich über zweihundert Menschen auf der Straße versammelt, und ihre Zahl wuchs immer mehr an.
Auf der obersten Stufe stehend, gebot Konstantinos mit erhobener Hand Stille. »Ich bin nicht gekommen, um diesem guten Menschen die letzte Ölung zu spenden und ihn damit auf seinen Tod vorzubereiten«, sagte er.
»Darauf solltet Ihr uns aber besser alle miteinander vorbereiten! «, rief eine Stimme. »Wir sind genauso am Ende wie er!«
Ringsum ertönte Zustimmung.
Konstantinos hob die Hände höher. »Gewiss, die Bedrohung ist furchterregend«, rief er laut. »Aber was vermag die ganze Welt, was vermögen die Legionen der Finsternis gegen uns auszurichten, wenn uns die Heilige Muttergottes beisteht?«
Der Lärm ebbte ab. Einige bekreuzigten sich.
»Ich bin gekommen, um zu sehen, was Gottes Wille ist«, fuhr Konstantinos fort. »Falls Er die Bitte erhört, die ich an die Heilige Jungfrau richte, dass dieser Mann hier von seinem Leiden befreit werden möge, dürfen wir darin ein Zeichen sehen, dass er uns vor den Gräueln derer bewahren wird, die uns heimzusuchen trachten.«
Einen Augenblick lang herrschte ungläubige Stille. Die Leute sahen einander an, teils unsicher, teils hoffnungsvoll. Dann ertönte noch lauterer Jubel als zuvor. Hunderte waren bereit anzunehmen, dass der Glaube ein solches Wunder hervorbringen konnte.
Konstantinos lächelte, ließ die Hände sinken und wandte sich Mocenigo zu, der schwach atmend vor ihm lag, aber keine heftigen Schmerzen zu empfinden schien.
Eine nahezu lähmende Stille legte sich über die Menge. Man hörte nicht das leiseste Füßescharren.
Konstantinos legte die Hände auf Mocenigos Kopf.
Von Panik ergriffen, suchte Anna Vicenze in der Menge, bis sie ihn schließlich sah. Er hielt sich leicht abseits, als sei er lediglich als Zuschauer gekommen.
Deutlich vernehmbar erhob Konstantinos voll Inbrunst die Stimme. Er flehte zur Heiligen Jungfrau, sie möge Andrea Mocenigo um seines Glaubens willen und zugleich als Zeichen dafür heilen, dass sie nach wie vor über das Volk von Byzanz wache und es vor der drohenden Gefahr beschützen werde.
Vicenze trat vor, und als Konstantinos Mocenigo von seinem Lager emporhob, gab er ihm Wasser, das sie ihm gemeinsam einflößten. Dann trat Vicenze zurück.
Alle warteten. Die Luft schien vor Hoffnung und Furcht zu vibrieren.
Plötzlich stieß Mocenigo einen grässlichen Schrei aus und umklammerte mit einem Ausdruck der Verzweiflung seinen Hals. Sein Körper zuckte vor Schmerzen.
Alle, die ihr im Wege standen, zur Seite schiebend, eilte Anna auf ihn zu, obwohl ihr klar war, dass es sinnlos sein würde. Vicenzes angebliches Gegenmittel war Gift gewesen. Da sie fürchtete, auch ihr Mittel könne ihn vergiften, wagte sie nicht, es zu verwenden.
Mocenigo würgte, dem Ersticken nahe.
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