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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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Menge.
Er deckte sie mit seinem Leib, bekam die Schläge ab, die ihnen beiden zugedacht waren. Dann traf ihn ein so gewaltiger Stoß gegen die Brust, dass er stehen blieb, weil er keine Luft mehr bekam. Nach einer Weile merkte er, dass sie ihn hielt – er war auf die Knie gesunken, allem Anschein nach hatte er einen Augenblick lang das Bewusstsein verloren. Er sah, dass die Menge weniger dicht war als zuvor, und sagte mit rauer Stimme: »Geht, nur fort von hier.«
    Sie hielt ihn nach wie vor. »Ich verlasse Euch nicht. Atmet langsam, dann geht es Euch besser.«
    »Ich kann nicht.« Es kam ihm vor, als liege ein eiserner Ring um seine Brust. In seinem Mund schmeckte er Blut. Es fiel ihm immer schwerer, sich zu konzentrieren, bei Bewusstsein zu bleiben. »Geht!«
    Sie beugte sich über ihn und hielt ihn fester, als wolle sie ihm etwas von ihrer Kraft geben. Er merkte, dass sie nicht bereit war fortzugehen, doch das wollte er nicht. Sie sollte weiterleben. Ihre Leidenschaftlichkeit, die sie einen so hohen Preis gekostet hatte, hatte ihm gezeigt, dass die Hölle weit schlimmer war, als er angenommen hatte, und der Himmel bei weitem herrlicher – und beide waren wirklich.
    »Verschwindet um Gottes willen von hier«, stieß er hervor, wobei sich sein Mund erneut mit Blut füllte. »Ich möchte nicht vergebens sterben. Tut … tut mir das nicht an! Gebt mir etwas …« Er spürte nach wie vor ihre Arme um sich, doch in dem Augenblick, in dem ihn die Dunkelheit einhüllte, merkte er, dass sie ihn losließ, und mit einem Mal war um ihn herum helles Licht. Er wusste, dass er lächelte, er tat es mit voller Absicht.
    Anna taumelte hoch. Sie erkannte eine Lücke in der Menge und sah, dass ihr ein Mann eine Hand entgegenstreckte. Sie nahm sie und wurde aus dem Hexenkessel an
eine ruhige Stelle geführt. Dann öffnete sich eine Tür, und sie trat in ein Haus. Sie dankte dem Mann, der kaum älter als zwanzig Jahre war. Er sah mitgenommen und verängstigt aus.
    »Fehlt Euch nichts?«, fragte sie.
    Er zitterte am ganzen Leib. Seine Schwäche war ihm peinlich bewusst, doch er konnte sie nicht unterdrücken. »Nein«, versicherte er ihr. »Aber ich fürchte, man hat den Bischof umgebracht.«
    Sie wusste, dass Palombara tot war, doch der junge Mann hatte Konstantinos gemeint. Für ihn war Palombara nichts als ein Römer ohne jede Bedeutung.
    Aber er irrte sich; zwar war Konstantinos fürchterlich zugerichtet, doch er lebte und war bei Bewusstsein, litt allerdings große Schmerzen. Sein Diener kam mit von zahlreichen Schlägen entstelltem Gesicht und blutbedeckten Armen zu Anna und bat um ihre Hilfe. Man hatte seinen Herrn zu einem Haus in der Nähe gebracht, dessen Besitzer ihm sein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt hatte. Dort lag Konstantinos jetzt.
    Sie ging mit dem Diener, denn sie sah keine Möglichkeit, sich der Bitte um Hilfe zu verweigern.
    Der Besitzer des Hauses und seine Frau, denen das Entsetzen über die Gewalttätigkeit der Masse ins Gesicht geschrieben stand, warteten mit bleichen Gesichtern.
    »Rettet ihn«, bat die Frau flehentlich, als Anna hereinkam. In ihren Augen lag unübersehbar der Wunsch, Anna möge ihr Hoffnung geben. »Ich werde tun, was ich kann«, sagte sie und folgte dem Diener die schmale Treppe hinauf.
    Konstantinos, dem man die zerfetzte und von Blut bedeckte Dalmatika ausgezogen und die vor Straßenschmutz starrende Tunika so gut es ging geglättet hatte, lag auf dem
Bett des Hausherrn. Auf dem Tisch standen ein Krug mit Wasser, mehrere Flaschen Wein und Salbgefäße. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass sie damit nicht viel würde ausrichten können. Der Bischof litt wahrscheinlich an einer inneren Blutung, gegen die sie machtlos war.
    Sie setzte sich auf den Stuhl neben seinem Lager. Wenn sie ihn berührte, würde sie damit seine Schmerzen nur vergrößern.
    »Gott hat mich im Stich gelassen«, klagte er. Der Blick seiner stumpfen Augen richtete sich nach innen und sah dort einen Abgrund, von dessen Rand er nicht zurückkehren würde.
    Christus hatte versprochen, jeder werde in seiner ursprünglichen Gestalt wiederauferstehen, wobei ihm kein Haar auf dem Haupt fehlen würde. Das konnte nur bedeuten, dass alles so sein würde, wie es sich gehörte, ohne die Welkheit des Alters, die Spuren von Unfällen oder einer Verstümmelung. Sollte sie ihm das sagen? Würde ihn das trösten, jetzt, da er sich um seine Seele gebracht hatte? Sie war das Eigentliche, das bis in alle Ewigkeit bleiben würde.
    Sie

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