Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
lächelnd die Hand nach Giuliano aus.
Er zögerte. Sich von ihnen fernzuhalten, wäre ungehörig gewesen, ganz davon abgesehen, dass es ihn drängte, einer von diesen Menschen zu sein. Er stand im Kampf auf ihrer Seite, und er würde an ihrem Sieg oder ihrem Untergang teilhaben.
Er eilte den jungen Leuten nach und nahm die Hand der Frau. Sie erreichten einen offenen Platz, wo die Musik spielte, und begannen zu tanzen. Er tanzte mit ihnen, bis er atemlos war.
Einer der jungen Männer bot ihm Wein an, und er nahm an. Zwar kratzte er ein wenig im Hals, doch trank er dankbar einen Schluck und gab die Flasche mit einem Lächeln zurück. Die Mädchen begannen zu singen, und alle fielen ein. Giuliano kannte den Text nicht, erfasste aber rasch die Melodie. Die Weinflasche ging von Hand zu Hand, und er trank wahrscheinlich mehr, als ihm guttat.
Lustige Geschichten machten die Runde, und alle lachten darüber. Von Zeit zu Zeit sah er in den Augen der jungen Leute die Sorge wegen dessen aufblitzen, was ihnen bevorstand.
Dann begann wieder jemand zu singen oder zu erzählen, und alle lachten, hielten einander in den Armen.
Er dankte ihnen und ging. Er war müde und hatte kaum noch Hoffnung. Der Verzweiflung nahe, ging er mit Giuseppe, Maria und deren Kindern zur Vesper in die Heilig-Geist-Kirche, die etwa eine halbe Meile südostwärts außerhalb der alten Stadtmauer stand. Die Strenge des Bauwerks und seine abweisende Schönheit passten gut zu seiner Stimmung.
Der Platz war gedrängt voll. Man hätte glauben können, die halbe Bevölkerung der Insel sei herbeigeströmt, um der heiligen Feier beizuwohnen. Eine Anspannung lag in der Luft, als stehe trotz des milden Frühlingsabends der Ausbruch eines Gewitters bevor.
Während alle darauf warteten, dass die Vesperglocke den Beginn des Gottesdienstes verkündete, hob Giuliano den Blick zu den Säulen und zum Turm empor.
Auf einmal begann ein Mann zu singen, der ein Dutzend Schritte von ihm entfernt stand, und schon bald fielen andere ein.
Dann erstarb der Gesang mit einem Schlag.
Giuliano fuhr herum und sah, wie sich erst von Norden und dann auch von Osten von der Stadtmauer her Berittene dem Platz näherten. Es waren Franzosen, insgesamt wohl an die zwei Dutzend, die vermutlich auf Beute aus waren. Sie schienen angetrunken zu sein.
Giuliano spürte, wie ihm das Blut in den Ohren rauschte.
Während sie näher kamen, hörte man sie grölend singen.
Der Mann neben Giuliano stieß einen Fluch aus. Die Menschen drängten sich näher aneinander, Männer streckten die Hand nach ihren Kindern oder Frauen aus. Zorneslaute wurden hörbar.
Die Franzosen lachten und riefen der einen oder anderen hübschen Frau, auf die ihr Blick fiel, etwas zu.
Giuliano spürte, wie sich seine Fingernägel tief in die Handflächen gruben.
Einer der Reiter forderte einen kleinen Jungen auf, näher zu kommen. Als sich dieser hinter den Röcken seiner Mutter versteckte, stellte sie sich schützend vor ihn. Ein Franzose rief etwas, ein anderer lachte.
Dann ertönte ein Schrei, und Giuliano sah, dass einer der Franzosen eine junge Frau um die Taille gefasst hatte und sie in eine stille Seitengasse zog, wo er sie zu küssen versuchte. Sie wehrte sich aus Leibeskräften und drehte den Kopf zur Seite.
Giuliano drängte sich an einer alten Frau und mehreren Kindern vorbei, kam aber zu spät. Der Mann der jungen Frau hatte bereits seinen Dolch gezogen und den Franzosen niedergestreckt, der jetzt blutend auf dem Pflaster lag.
Im nächsten Augenblick stieß jemand einen unterdrückten Schrei aus.
Um den ganzen Platz herum zogen die Franzosen ihre Schwerter, um ihren Gefährten zu rächen. Sogleich zückten die Sizilianer ihre Dolche, und in kürzester Zeit tobte ein wilder Kampf. Man hörte Flüche und Geschrei. Blitzend brachen sich Sonnenstrahlen auf stählernen Klingen, Blut färbte die Pflastersteine rot.
Jetzt begann die Vesperglocke der Heilig-Geist-Kirche zu läuten, ihr antworteten die Glocken aller anderen Kirchen der Stadt.
Giuliano befand sich in einem dichten Gedränge. Wo waren Giuseppe und seine Frau Maria? Er sah Tino, eines ihrer Kinder, mit vor Schrecken bleichem Gesicht. Er stürzte auf den Jungen zu und nahm seine Hand. »Bleib bei mir«, gebot er ihm. »Wo ist deine Mutter?«
Tino sah ihn nur wortlos und verängstigt an.
Drei Schritte entfernt führte ein Franzose einen Schwertstreich gegen einen Sizilianer, der mit einer schweren Wunde am Arm zu Boden stürzte. Eine Frau
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