Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
kaiserlichen Häusern wie auch deren Erbe dafür sorgen, dass das Volk diesem Mann gehorcht. «
Michael beugte sich leicht in seinem Thronsessel vor, wobei die weißen Fäden in Haar und Bart im Licht der Öllampen schimmerten. »Was sagt Ihr da, Anastasios? Gebt gut acht, wen Ihr beschuldigt. Noch ist die Stadt nicht gefallen. Es mag schon sein, dass es bis dahin nur
noch wenige Tage oder gar Stunden dauert, aber einstweilen bin ich in Byzanz nach wie vor Herr über Leben und Tod.«
Sie zitterte von Kopf bis Fuß. »Das ist mir bekannt, Majestät. Helena ist Witwe des Bessarion Komnenos und … außerdem Eure uneheliche Tochter von Zoe Chrysaphes. Das hat sie erst nach Irene Vatatzes’ Tod erfahren. Ihre Mutter hat es ihr nie gesagt.«
Der Kaiser blieb so lange reglos sitzen, dass sie zu fürchten begann, er habe einen Schlaganfall erlitten. »Woher wisst Ihr das, Anastasios?«, fragte er schließlich.
»Irene hat es mir auf dem Sterbebett gesagt«, flüsterte sie. »Sie wollte, dass Helena es erfuhr, um sich auf diese Weise an Zoe zu rächen, die Grigorios statt ihrer liebte.«
»Das klingt glaubhaft«, sagte er. »Und warum teilt Ihr mir das jetzt mit, unmittelbar vor dem Untergang?«
»Ich wusste nichts von Helenas Plan. Als ich sie aber kürzlich in der Hagia Sophia in einer nahezu purpurfarbenen Dalmatika gesehen habe, habe ich angefangen, nach Beweisen zu suchen.« Sie schluckte. »Die habe ich jetzt. Darf ich Eure Majestät um eine letzte Gnade bitten, solange Ihr sie noch gewähren könnt? Ihr habt selbst gesagt, dass Ihr die Macht über Leben und Tod in Händen haltet. Bitte gebt mir einen Brief, in dem Ihr meinen Bruder Ioustinianos Laskaris begnadigt, der wegen des Mordes an Bessarion Komnenos im Dornbuschkloster auf dem Sinai gefangen ist.«
»Er befindet sich dort, weil er an der Verschwörung zu meinem Sturz beteiligt war«, korrigierte Michael sie.
»Sie ist aber doch deshalb fehlgeschlagen, weil er Bessarion getötet hat, als ihm klarwurde, dass er die Mitverschwörer auf andere Weise nicht von ihrem Plan abbringen
konnte«, hielt sie dagegen. Sie hatte nicht mehr viel zu verlieren.
Er spreizte seine Finger ein wenig. »Ioustinianos ist also Euer Bruder. Warum nennt Ihr Euch Zarides? Findet Ihr den Namen Laskaris zu gefährlich? Oder schämt Ihr Euch seiner?«
Während sie ihn ansah, wurde ihr bewusst, dass er ihr keinesfalls verzeihen würde. »Es ist nicht seine Schuld«, flüsterte sie. »Er hat nichts davon gewusst.«
»Wovon?« Er wartete. In wenigen Tagen konnten sie alle tot sein, dann wäre es zu spät. Sie dachte an Giuliano, den sie nie wiedersehen würde. Vielleicht war das auch gut so. Er würde ihr ebenso wenig verzeihen wie der Kaiser.
»Ich bin ein guter Arzt, Majestät, aber kein Eunuch«, sagte sie mit belegter Stimme.
Er begriff nicht.
»Ich bin eine Frau – mein Mann hieß Zarides. Auf die Welt gekommen bin ich als Anna Laskaris und habe den Namen nur mit großem Bedauern aufgegeben.« Sie spürte, wie ihr heiße Tränen in die Augen stiegen und ihre Kehle so eng wurde, dass das Atemholen sie schmerzte.
Im großen Saal war es so still, dass man das leise Geräusch hörte, mit dem einer der Waräger am anderen Ende des Saales vorsichtig von einem Fuß auf den anderen trat.
Michael lehnte sich zurück und sah Anna lange an. Dann begann er mit einem Mal haltlos zu lachen und konnte überhaupt nicht wieder aufhören.
Anna traute ihren Augen und Ohren nicht.
Dann stimmten die Waräger am Ende des Saals gehorsam in das Lachen ein, und Nikephoros lachte mit einer Erleichterung, die an Hysterie grenzte.
Mit Tränen in den Augen begann auch Anna zu lachen, doch es klang eher wie ein Schluchzen. Sie tat es nur, weil ihr keine Wahl blieb. Wenn der Kaiser lachte, hatten alle anderen Anwesenden pflichtschuldigst mitzulachen.
Ebenso plötzlich, wie er zu lachen begonnen hatte, hörte er wieder auf. Er richtete den Blick auf Nikephoros. »Und das hast du gewusst?«
Der Angesprochene errötete tief. »Nicht von Anfang an, Majestät. Als ich es erfuhr, wusste ich bereits, dass sie Euch nicht schaden würde. Ich habe ihr sogar mehr getraut als jedem anderen Arzt, sowohl wegen ihrer beachtlichen Fähigkeiten als auch wegen ihrer Treue zu Euch, auf die ich mich voll und ganz verlassen konnte.«
»Hm«, sagte Michael. »Du hast großes Glück, dass ich mich in dieser Galgenhumor-Stimmung befinde, sonst würde ich das nicht so lustig finden.«
»Danke, Majestät.«
»Warum
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