Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
irgendetwas über den Verkehr auf der Strecke zwischen Dyce und Newmacher, und alle wandten sich gut gelaunt wieder ihren Getränken zu.
Auf DI Steels Zügen lag ein entrücktes Lächeln, als sie sich den nächsten Whisky hinter die Binde kippte. »War das nicht das Schönste, was Sie je im Leben gesehen haben?«
Logan gab zu, dass es verdammt gut gewesen war.
»Wissen Sie«, sagte Steel und zündete sich eine neue Zigarette an, »ich würde diesem Jungen zu gern die Hand schütteln. Mensch, ich wäre sogar versucht, gleich die ganze Nacht mit ihm zu verbringen. Was für ein Star!«
Logan versuchte das Bild von DI Steel und Martin Strichen im leidenschaftlichen Clinch zu verdrängen, das sich vor seinem geistigen Auge aufbaute, doch es gelang ihm nicht. Um sich abzulenken, schaute er wieder zum Fernseher hoch. Dort füllte inzwischen ein Foto von David Lumley den Bildschirm aus, vermisst seit Dienstag. Rote Haare, sommersprossiges Lächeln. Schnitt, Außenaufnahme von Roadkills Hof. Und dann eine Pressekonferenz mit einem streng und entschlossen dreinschauenden Polizeipräsidenten.
Logans gute Laune verebbte nach und nach, während die Bilder vor seinen Augen flimmerten. Peter lag irgendwo tot in einem Graben, und Logan beschlich das unangenehme Gefühl, dass sie den Schuldigen noch immer nicht hinter Gittern hatten. Ganz gleich, was DI Insch dachte.
Und dann kam Werbung. Eine Werkstatt in Bieldside, ein Damenmodegeschäft in Rosemount, und dann ein Spot der Regierung zur Verkehrssicherheit. Logan sah schweigend zu, wie das Auto mit quietschenden Reifen bremste, den Jungen, der die Straße überquerte, aber dennoch erfasste. Der Junge war noch klein. Kühler und Stoßstange des Wagens fuhren ihm in die Seite, und seine Arme und Beine wirbelten hilflos durch die Luft, als er auf die Motorhaube geschleudert wurde. Sein Kopf schlug einmal auf dem Metall auf, bevor der Körper erneut durch die Luft segelte und krachend auf dem Asphalt landete. Alles in Zeitlupe, jeder Augenblick der Kollision in grausamer Deutlichkeit choreografiert. Und dann der eingeblendete Slogan: » Muss erst ein Kind draufgehen, bevor Sie mit dem Tempo runtergehen? «
Logan starrte zum Bildschirm hinauf, und seine Miene wurde von Sekunde zu Sekunde gequälter. »Verfluchter Bockmist!«
Sie hatten völlig daneben gelegen.
Es war schon acht Uhr, als sie endlich alle im Leichenschauhaus versammelt waren: DI Insch, Logan und Dr. Isobel MacAlister. Letztere schien noch weit weniger begeistert über die unverhoffte Zusatzschicht als der Inspector, aufgebrezelt wie sie war in ihrem langen schwarzen Kleid mit tiefem Dekolletee. Aber wenn Logan gehofft hatte, gratis ein bisschen nackte Haut bewundern zu können, sah er sich getäuscht. Isobel hatte ihre knallorangefarbene Vliesjacke über das Abendkleid gezogen und die Hände tief in den Taschen vergraben, um sich in dem kühlen, antiseptischen Leichenschauhaus warm zu halten.
Sie hatten sie aus dem Theater geholt. »Ich hoffe, es ist wichtig«, sagte sie und warf Logan dabei einen Blick zu, der deutlich machte, dass es schwerlich etwas Wichtigeres geben konnte als einen Abend mit ihrem Besorger in der Scottish National Opera, wo die Neuinszenierung von La Bohème gegeben wurde.
Insch trug Jeans und ein schlampiges blaues Sweatshirt. Es war das erste Mal, dass Logan ihn nicht in seinem Dienstanzug sah, wenn man einmal von seinem Räuberkostüm aus dem Märchenspiel absah. Er hörte sich mit finsterer Miene an, wie Logan sich dafür entschuldigte, dass er sie an einem Samstagabend alle hierher in den Keller des Präsidiums geschleppt hatte. Wieder einmal.
»Okay«, sagte Logan, als er das Kühlfach gefunden hatte, das die sterblichen Überreste des in Roadkills Scheune gefundenen Mädchens enthielt. Er biss die Zähne zusammen und zog das Schubfach auf, um gleich darauf ein paar Schritte zurückzuweichen, als der Verwesungsgeruch sich in der sterilen Raumluft ausbreitete. »Also«, begann er mit verkniffener Miene, wobei er sich bemühte, ausschließlich durch den Mund zu atmen. »Wir wissen, dass das Mädchen an einem stumpfen Trauma gestorben ist …«
»Natürlich ist sie daran gestorben!«, fuhr Isobel ihn an. »Genau das habe ich auch in meinem Obduktionsbericht mitgeteilt. Die Schädelfrakturen an Stirn und Hinterkopf müssen mit massiven Gehirnverletzungen einhergegangen sein, die unmittelbar zum Tode führten.«
»Ich weiß«, erwiderte Logan. Er nahm die Röntgenaufnahmen aus der
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