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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Fallakte und hielt sie gegen das Licht. »Siehst du das da?«, fragte er und deutete auf die Rippen.
    »Gebrochene Rippen.« Isobel durchbohrte ihn mit ihren Blicken. »Hast du mich aus dem Theater hergeschleift, um mir Dinge zu sagen, die du ohne mich verdammt noch mal gar nicht wüsstest, Sergeant ?« Das letzte Wort spie sie voller Verachtung aus.
    Logan seufzte. »Jetzt hör mal zu: Wir haben alle gedacht, die Verletzungen hätte Roadkill ihr beigebracht, als er sie verprügelte …«
    »Der Befund lässt sich durch Schläge widerspruchsfrei erklären! Das habe ich in meinem Bericht geschrieben! Wie viel Zeit müssen wir denn noch mit diesen Selbstverständlichkeiten vergeuden? Du hast gesagt, du hättest neue Erkenntnisse!«
    Logan holte tief Luft und hielt die Röntgenbilder übereinander, sodass sie ein vollständiges Kinderskelett ergaben. Frakturen von Becken, Bein, Rippen und Schädel. Das ganze Bild maß kaum einen Meter zwanzig. Logan ging in die Hocke und hielt das Skelettbild so, dass die Füße den Boden berührten. »Sehen Sie sich die Rippen an«, sagte er. »Sehen Sie, wie weit sie vom Boden weg sind?«
    DI Insch und Isobel sahen es. Beide schienen nicht sonderlich beeindruckt.
    »Und?«
    »Was ist, wenn die Verletzungen gar nicht von Schlägen stammen?«
    »Ach, hör doch auf!«, sagte Isobel. »Das ist ja lachhaft! Sie wurde mit Schlägen getötet!«
    »Sehen Sie sich an, wie weit die gebrochenen Rippen über dem Boden sind«, wiederholte Logan.
    Keine Reaktion.
    »Ein Auto«, sagte Logan, indem er die Röntgenaufnahmen wie eine makabre Schattenpuppe bewegte. »Der erste Auftreffpunkt ist die Hüfte.« Er drehte das Bild um die Hüftachse und hob es an, während er die obere Hälfte im Uhrzeigersinn drehte. »Die Rippen prallen gegen die Oberkante des Kühlers.« Wieder bewegte er das Röntgen-Mädchen ein Stück weiter und drehte den Kopf scharf nach rechts. »Die linke Seite des Schädels kracht auf die Motorhaube. Der Fahrer steigt auf die Bremse.« Er zog das Röntgenbild gerade und senkte es mit einer rotierenden Bewegung auf den Boden des Leichenschauhauses ab. »Sie schlägt auf dem Asphalt auf; das rechte Bein bricht. Der Hinterkopf wird beim Aufprall auf die Fahrbahn zertrümmert.« Er legte die Röntgenaufnahme vor sich auf den Boden.
    Seine Zuhörer starrten das Bild eine volle Minute lang schweigend an, bevor Insch fragte: »Und wie ist sie dann in Roadkills Horrorhaus geraten?«
    »Bernard Duncan Philips alias Roadkill kommt mit seiner Schaufel und seinem Karren des Wegs und tut das, was er immer tut.«
    Insch sah ihn an, als hätte er gerade den verwesten Leichnam des Mädchens aus dem Kühlfach gerissen und begonnen, mit ihm durch den Saal zu tanzen. »Das ist ein totes Mädchen, Mann! Kein überfahrenes Kaninchen!«
    »Das ist für ihn alles das Gleiche.« Logan blickte auf den Inhalt des Schubfachs hinunter. Es war ihm, als ob ein schweres Gewicht auf seinem Brustkorb lastete. »Nur ein weiteres totes Geschöpf, das er von der Straße aufliest. Sie lag in Gebäude Nummer zwei. Das erste hatte er schon voll.«
    Insch sah Logan an. Und dann Isobel. Und dann wieder die Röntgenbilder, die auf dem Boden lagen. »Scheiße«, stieß er schließlich hervor.
    Isobel stand stumm da, die Hände tief in die Taschen ihrer Vliesjacke gestopft, die Miene todunglücklich.
    »Nun?«, fragte Logan.
    Sie richtete sich zu voller Größe auf, und mit einer Stimme wie gefrorener Abflussreiniger gab sie zu, dass die Verletzungen mit dem von Logan geschilderten Hergang vereinbar seien. Dass es wegen der fortgeschrittenen Verwesung nicht möglich sei, festzustellen, in welcher Reihenfolge die Verletzungen erfolgt waren. Dass es so ausgesehen habe, als könnten sie von schweren Schlägen herrühren. Dass sie auf der Grundlage des vorhandenen Materials nach bestem Wissen und Gewissen ihr Urteil gefällt habe. Dass niemand von ihr hellseherische Fähigkeiten erwarten dürfe.
    »Scheiße«, sagte Insch noch einmal.
    »Er hat sie nicht umgebracht.« Logan schob das Kühlfach wieder hinein und schlug die Tür zu. Der dumpfe Knall hallte von den kühlen weißen Kacheln wider. »Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben.«
    Nach anderthalb Stunden hektischen Herumtelefonierens erschien endlich Bernard Duncan Philips’ »geeignete erwachsene Person«. Der Mann sah aus wie rückwärts durch die Hecke gezogen. Es war mal wieder Lloyd Turner, der Lehrer im Ruhestand, und er roch streng nach Pfefferminz, als ob er

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