Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Katzenaugen im dunklen Spiegel der Scheibe. Alle Fenster.
Er drehte sich um und starrte zu dem Gebäude hinauf. Jedes einzelne Fenster in der Fassade des Hauses war hell erleuchtet. Auch das der vermeintlich leeren Wohnung im ersten Stock rechts. Während er noch hinsah, erschien ein Gesicht im Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Einen Herzschlag lang trafen sich ihre Blicke, dann war das Gesicht verschwunden. Aber der erschrockene Ausdruck war Logan nicht entgangen. Und das Gesicht kam ihm sehr bekannt vor …
»Sieh mal einer an …« Logan tippte Constable Watson auf die Schulter. »Scheint, als hätten wir einen Kandidaten gefunden.«
Kurz darauf waren sie wieder im Haus, wo Watson an die Tür der verdächtigen Wohnung hämmerte. »Nun machen Sie schon auf! Wir wissen, dass Sie da sind. Wir haben Sie gesehen!«
Logan lehnte am Treppengeländer und sah ihr zu, wie sie die schwarz gestrichene Wohnungstür bearbeitete. Er hatte den Stapel Aussagen mitgenommen und blätterte ihn durch, auf der Suche nach derjenigen, die zu der Adresse passte. Nummer siebzehn, erster Stock rechts … Ein Mr. Cameron Anderson. Stammte aus Edinburgh und baute ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge.
Constable Watson presste noch einmal den Daumen auf den Klingelknopf, während sie mit der anderen Faust weiter an die Tür donnerte. »Wenn Sie jetzt nicht sofort aufmachen, muss ich die verdammte Tür aufbrechen!«
Trotz des ganzen Getöses im Treppenhaus ging nirgendwo eine Tür auf, lugte niemand um die Ecke, um zu sehen, was da eigentlich los war. So viel zum Thema Gemeinschaftssinn.
Zwei Minuten waren verstrichen, und immer noch blieb die Tür hartnäckig verschlossen. Logan hatte allmählich ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache. »Treten Sie sie ein.«
»Was?« Watson blickte über die Schulter und zischelte ihm in einem sehr vernehmlichen Flüsterton zu: »Wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss! Wir können doch nicht einfach die Tür aufbrechen! Ich habe doch nur geblufft …«
»Treten Sie sie ein. Sofort.«
Constable Watson trat einen Schritt zurück und ließ ihre Stiefelsohle direkt unter der Klinke gegen die Tür krachen, die mit einem lauten Knall aufsprang, gegen die Wand der Diele schlug, dass die Fotos in ihren Rahmen klapperten, und zurückprallte. Sie stürmten hinein, Watson nahm sich das Wohnzimmer vor, Logan das Schlafzimmer. Kein Mensch zu sehen.
Wie in Chalmers’ Wohnung im Stockwerk darüber hatte die Küche keine Tür, doch sie war ohnehin leer. Blieb nur noch das Bad, und das war verschlossen.
Logan rüttelte an der Tür und schlug mit der flachen Hand gegen das hölzerne Türblatt. »Mr. Anderson?«
Von drinnen war Schluchzen zu hören, dazu das Geräusch von fließendem Wasser.
»Verdammt.« Er drückte noch einmal gegen die Tür, dann forderte er Watson auf, sich noch einmal ins Zeug zu legen.
Sie trat die Tür fast aus den Angeln.
Dichte Dampfwolken quollen heraus und füllten den winzigen Flur. Das Bad war nach Art einer Sauna mit Holz verkleidet, das die scheußlichen avocadofarbenen Kacheln zum größten Teil verdeckte. Es bot gerade einmal genug Platz für ein Klo an der einen und eine Badewanne mit Brause an der anderen Wand. Der Duschvorhang war zugezogen.
Logan riss ihn zur Seite. In der Wanne, im langsam ansteigenden Wasser, kniete ein vollständig bekleideter Mann, der mit einem kaputten Einwegrasierer an seinen Handgelenken herumsäbelte.
Anstatt auf einen Rettungswagen zu warten, fuhren sie Mr. Anderson direkt in die Notaufnahme. Das Krankenhaus war keine fünf Minuten von der Wohnung entfernt. Sie umwickelten seine Handgelenke mit mehreren Lagen Frotteehandtüchern und steckten seine Hände anschließend in Plastiktüten, die sie in der Küche gefunden hatten, damit er ihnen nicht den Wagen voll blutete.
Cameron hatte sich bei seinem Selbstmordversuch nicht sonderlich geschickt angestellt. Die Schnitte waren nicht tief genug, um die Venen zu öffnen, und außerdem hatte er sie quer anstatt in Längsrichtung angesetzt. Ein paar Stiche und eine Nacht im Krankenhaus zur Beobachtung, mehr war nicht nötig. Logan lächelte, als er das hörte, und versicherte der Krankenschwester, dass Mr. Anderson nirgendwo so gut unter Beobachtung stehen würde wie in einer Arrestzelle im Polizeipräsidium. Sie sah ihn an wie etwas, was ihr am Schuh hängen geblieben war.
»Sind Sie noch bei Sinnen? Der arme Mann hat gerade versucht, sich das Leben zu nehmen!«
»Er ist ein Verdächtiger
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