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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Aussagen: alle Personen, von deren Wohnungen aus die Gemeinschaftstonne mühelos zu erreichen war. Einer von diesen Leuten hatte das Mädchen getötet, sie ausgezogen, sie zu zerteilen versucht, ihre Leiche mit braunem Paketklebeband umwickelt und sie in die Tonne geworfen. Und wenn es nicht Norman Chalmers gewesen war, wer dann?

31
    Der Sonnenuntergang malte grelle orangefarbene und scharlachrote Flammen an den Himmel über Rosemount. Von der Straße aus, die nach beiden Seiten von langen Reihen grauer dreistöckiger Mietshäuser eingefasst war, konnte man allerdings nur Streifen schillernder Farbe erkennen. Die Straßenlampen, die in der scharfen Dezemberluft leise vor sich hin summten, verbreiteten einen schwefelgelben Schein, der den Gebäuden eine ungesunde Blässe verlieh. Es war noch nicht einmal fünf Uhr.
    Aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz hatte Constable Watson direkt vor dem Haus, in dem Norman Chalmers wohnte, einen Parkplatz gefunden. Die Gemeinschaftstonne stand an einen Pfosten gekettet direkt vor dem Eingang. Sie war schwarz, brusthoch und an den Seiten abgeflacht. Hier musste es passiert sein: In dieser Tonne hatte der Täter das tote Mädchen abgelegt, und hier hatten die Müllmänner sie abgeholt und mit dem ganzen Hausmüll zur Kippe gefahren.
    Die Spusi hatte die Tonne gründlich unter die Lupe genommen, aber nichts zutage gefördert, außer der Erkenntnis, dass einer der Hausbewohner offenbar auf Lack-und-Leder-Pornos stand.
    »Wie viele Häuser wollen wir uns vornehmen?«, fragte Watson, die einen Stapel von Aussageprotokollen vor sich auf dem Lenkrad balancierte.
    »Wir fangen in der Mitte an und arbeiten uns in beide Richtungen vor. Drei Häuser nach jeder Seite, macht sieben. Sechs Wohnungen pro Haus …«
    »Zweiundvierzig Wohnungen? Mein Gott, da werden wir ja ewig brauchen!«
    »Und dann noch die andere Straßenseite.«
    Watsons Blick ging hinauf zu dem Haus, vor dem sie standen, und richtete sich dann wieder auf Logan. »Können wir das nicht von ein paar Uniformierten erledigen lassen?«
    Logan lächelte. »Sie sind auch eine Uniformierte, schon vergessen?«
    »Ja, aber ich habe schließlich zu tun – ich muss Sie in der Gegend herumfahren und so. Das wird doch ewig dauern!«
    »Je länger wir hier rumsitzen, desto später wird es.«
    Als Erstes nahmen sie sich das Haus vor, in dem Norman Chalmers wohnte.
    Erdgeschoss links: eine alte Frau mit verschlagenem Blick, uringelbem Haar und einer Sherryfahne. Sie machte die Tür erst auf, nachdem Logan ihr seinen Dienstausweis durch den Briefschlitz gereicht hatte und sie bei der Polizei angerufen und sich davon überzeugt hatte, dass er nicht einer von diesen Pädophilen war, von denen sie gehört hatte. Logan verzichtete auf den Hinweis, dass sie seit schätzungsweise neunzig Jahren vor den Nachstellungen solcher Leute sicher war.
    Erdgeschoss rechts: vier Studenten, von denen zwei noch schliefen. Niemand hatte irgendetwas gesehen oder gehört. Hatten vor lauter Büffeln nichts mitbekommen. »Wer’s glaubt«, sagte Watson. »Faschisten«, sagte der Student.
    Erster Stock links: verhuschte allein stehende Frau mit großer Brille und noch größeren Zähnen. Nein, sie hatte niemanden gesehen und nichts gehört, und war das nicht alles ganz furchtbar?
    Erster Stock rechts: Fehlanzeige.
    Zweiter Stock links: unverheiratete Mutter mit dreijährigem Kind. Wieder ein Fall von »nichts hören, nichts sehen, nichts sagen«. Logan gewann den Eindruck, dass man in ihrem Badezimmer die Queen hätte ermorden können, während sie daneben in der Wanne saß, und sie trotzdem behaupten würde, nichts gesehen zu haben.
    Zweiter Stock rechts: Norman Chalmers. Er blieb bei seiner Geschichte. Sie hätten kein Recht, ihn so zu schikanieren. Er würde seinen Anwalt anrufen.
    Und dann standen sie wieder draußen auf der Straße.
    »Also«, sagte Logan und steckte die Hände in die Jackentaschen, um sie vor der Kälte zu schützen, »sechs hätten wir; bleiben nur noch achtundsiebzig.«
    Watson stöhnte.
    »Nehmen Sie’s nicht so schwer.« Logan lächelte ihr aufmunternd zu. »Wenn Sie ganz, ganz brav sind, gebe ich Ihnen hinterher auch einen aus.«
    Das schien sie ein wenig aufzumuntern, und Logan war schon drauf und dran, noch eine Einladung zum Abendessen draufzupacken, als sein Blick auf sein eigenes Spiegelbild in der Windschutzscheibe fiel. Es war zu dunkel, um an dem Gebäude hinter ihnen irgendwelche Details auszumachen, aber die Fenster leuchteten wie

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