Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Logan zu Watson und wieder zurück. Sie schien ihn gar nicht wahrzunehmen, als sie die behandschuhten Hände um den Wasserkocher legte, um ihm so viel Wärme wie möglich abzuzapfen.
»Da muss irgendetwas sein«, sagte Logan, ohne den Blick vom Stadtplan zu wenden, und tippte sich wieder mit dem blauen Marker an die Schneidezähne. »Irgendetwas, was wir bis jetzt übersehen haben. Einen Grund, warum bei diesem Kind etwas anders ist.« Er hielt inne. »Oder vielleicht ist da ja gar nichts anders … und alle drei Orte haben irgendetwas gemeinsam …«
Hoffnung blitzte in Inschs Augen auf. »Und was?«
Logan zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich weiß, dass es da irgendetwas gibt, aber ich kann nicht genau sagen, was es ist.«
Und da platzte Detective Inspector Insch endgültig der Kragen. Er ließ die Faust auf den Tisch krachen, dass die Papiere nur so durch die Luft flogen, und fuhr Logan an, was in drei Teufels Namen er sich bloß einbilde? Da draußen wurde ein Kind vermisst, und ihm fiel nichts Besseres ein, als mit irgendwelchen albernen Gedankenspielchen die Zeit zu verplempern? Inschs Gesicht glühte wie eine atombetriebene Tomate, und fliegende Speicheltropfen funkelten im Neonlicht der mobilen Soko-Zentrale, als er seine Wut am ersten Opfer ausließ, das sich ihm seit dem Verschwinden des McCreath-Jungen präsentierte.
»Ähm …«, sagte Watson, als Insch das erste Mal Luft holen musste.
Der Inspector feuerte einen derart vernichtenden Blick in ihre Richtung ab, dass sie erschrocken einen Schritt zurückwich und sich den heißen Wasserkocher wie einen Schild vor die Brust hielt. »Was?«
»Sie fallen alle in den Zuständigkeitsbereich der Stadt?«, sagte sie, wobei sie sich bemühte, die Worte so schnell wie möglich über die Lippen zu bringen.
Verblüfft wandte Logan sich wieder zum Stadtplan um. Sie hatte Recht. Jeder einzelne Ort, den er markiert hatte, wurde vom Gartenbauamt der Stadt instand gehalten. Ein städtisches Grundstück grenzte an das der Lumleys, und der Strand, an dem David Reid entführt worden war, befand sich ebenfalls im Besitz der Stadt. Ebenso wie das Flussufer, an dem seine Leiche gefunden worden war.
In Logans Kopf machte etwas klick.
»Martin Strichen«, sagte er und deutete auf das Display des Laptops. »Er steht auf der Liste der Sexualstraftäter. Er wird immer zu gemeinnütziger Arbeit beim Gartenbauamt verdonnert.« Er tippte mit dem Finger auf den Stadtplan und verschmierte dabei den blauen Kreis, den er um den Seaton Park gemalt hatte. »Daher wusste er auch, dass diese Toiletten erst im Frühjahr wieder geöffnet werden!«
Watson schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Sir, aber Strichen wurde wegen Masturbierens in einem Damenumkleideraum verurteilt, und nicht, weil er kleine Jungs befummelt hat.«
Insch pflichtete ihr bei, aber Logan ließ sich nicht so leicht von seiner Theorie abbringen. »Das war in einem Schwimmbad, nicht wahr? Und was nehmen Frauen ins Schwimmbad mit? Ihre Kinder! Die Kinder, die zu klein sind, um sich allein umzuziehen, werden von ihren Müttern in die Damenumkleide mitgenommen! Kleine nackte Mädchen und …«
»… kleine nackte Jungs«, vollendete Insch Logans Satz. »Dieses Schwein. Rundruf an alle Streifen: Ich will Martin Strichen, und zwar sofort!«
Sie rasten mit Sirene und Blaulicht vom Duthie Park nach Middlefield und schalteten beides erst ab, als sie in Hörweite von Martin Strichens Haus kamen. Sie wollten ihn schließlich nicht vorwarnen.
Howesbank Avenue 25 war ein Reihenmittelhaus an einer langen, geschwungenen Straße am nordöstlichen Rand von Middlefield. Hinter den weißen rauverputzten Häusern war nur noch ein schmaler Streifen Grasland mit Gestrüpp, und dahinter die aufgelassenen Granitsteinbrüche. Danach ging es steil bergab nach Bucksburn mit seinen Papiermühlen und der Hühnerfabrik.
Der Wind pfiff an der Rückseite der Häuser entlang und wirbelte einen Schleier aus Schnee von der gefrorenen Erde auf, der sich mit den eisigen Flocken mischte, die frisch vom Himmel fielen. Die weiße Pracht blieb auf dem Putz hängen; es sah aus, als wären die Häuser in glitzernde Watte verpackt. Christbäume funkelten und blitzten in den ansonsten dunklen Fenstern, an den Scheiben klebten lustige Weihnachtsmänner. Und hier und da hatte jemand versucht, mithilfe von schwarzem Isolierband und Schnee aus der Sprühdose alte Bleiglasfenster zu imitieren. Sehr stilvoll.
Watson parkte hinter der Kurve am Straßenrand, wo
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