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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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gesichert. Auf dem Schild daneben stand: » Achtung, Einsturzgefahr! Betreten verboten! «
    Ächzend wich er einen Schritt zurück und trat mit voller Kraft gegen das Holz, direkt neben dem Schloss. Die alte Tür dröhnte und wackelte in den Scharnieren, doch das Vorhängeschloss gab nicht nach. Er trat wieder zu, und dann noch ein drittes Mal. Aller guten Dinge … Der dritte Donnerschlag hallte von den Wänden des Steinbruchs wider und übertönte das Geräusch des splitternden Holzes, als der Riegel mit dem Vorhängeschloss aus der Verankerung gerissen wurde.
    Drinnen war es eiskalt und dunkel, und der Geruch nach Ratten und Mäusen wurde überlagert vom Staub vieler Jahre. Mit einem nervösen Grinsen ließ er die Frau von seiner Schulter auf den Betonboden gleiten. Ihre blasse Haut schimmerte vor dem dunkelgrauen Untergrund, und er erschauderte. Er redete sich ein, dass es nur die Kälte sei. Doch er wusste, dass sie der Grund war.
    Die große Reisetasche stand neben ihr. Hinterher, das wusste er, würde ihm davon ganz schlecht werden. Er würde sich erbrechen müssen, bis nichts mehr in ihm drin war außer bitterer Galle und brennender Scham. Aber was später war, kümmerte ihn jetzt nicht. Jetzt hörte er nur das Blut in den Ohren rauschen.
    Mit tauben Fingern zog er den Reißverschluss der Tasche auf.
    »Hallo?«, rief er.
    In der Tasche schlug der kleine Jamie McCreath die Augen auf und begann zu schreien.
    Die Fußstapfen verschwanden zusehends, aufgefüllt von dicken weichen Schneeflocken, die eine völlig glatte und konturlose Oberfläche zurückließen. Logan blieb stehen und ließ den Blick suchend über das Gelände schweifen. Die Spur hatte geradewegs vom Haus weggeführt, in die Dunkelheit hinaus. Und jetzt war die Spur verschwunden.
    Er fluchte bitterlich.
    Der Constable, den er mitgeschleppt hatte, hielt schnaufend neben ihm an. »Und jetzt, Sir?«, fragte er, nach Luft ringend.
    Logan blickte sich um und versuchte zu erraten, in welche Richtung Martin Strichen Constable Watson verschleppt haben könnte. Verdammt! Er hatte DI Insch gewarnt, dass es keine gute Idee wäre, die beiden Constables allein im Haus zurückzulassen. »Wir trennen uns«, sagte er schließlich. »Wir müssen eine möglichst große Fläche abdecken.«
    »In welche Richtung soll ich …«
    »Ist mir egal! Hauptsache, Sie finden sie!«
    Er zog sein Handy aus der Tasche, während der Constable mit gekränkter Miene in einem Winkel von fünfundvierzig Grad davonstapfte.
    »Hier DS McRae«, sagte er, als eine Frau sich meldete. »Wo bleibt meine Verstärkung?«
    »Augenblick, bitte …«
    Wieder ließ Logan den Blick über die eintönige Landschaft schweifen. Es schien, als hätte eine gewaltige Hand die ganze Welt ausradiert und nur eine weiße Fläche unter einem gelblich grauen Himmel zurückgelassen.
    »Hallo, DS McRae? DI Insch sagt, die Verstärkung ist unterwegs. Und eine Streife aus Bucksburn müsste in zwei Minuten bei Ihnen sein.«
    Er konnte schon das ferne Heulen der Sirenen hören, gedämpft durch den dichten Schneefall.
    Logan kämpfte sich weiter durch die Schneewehen. Eiswasser tränkte den Stoff seiner Hose und machte seine Beine schwer. Er schnaufte wie eine Dampflok, und sein Atem kondensierte zu dicken Wolken, die in der windstillen Nacht um seinen Kopf waberten.
    Allmählich machte sich in ihm ein Gefühl der Verzweiflung breit. Die Chance, Martin Strichen in der finsteren, verschneiten Nacht zu finden, war äußerst gering. Ohne Spürhunde sowieso. Vielleicht hätte er auf die Hundestaffel warten sollen? Aber er wusste, dass er nicht einfach dasitzen und die Hände in den Schoß legen konnte. Irgendetwas musste er tun.
    Das Gelände stieg jetzt leicht an. Er kämpfte sich durch den knietiefen Schnee bergan. Und dann war er oben angelangt – und das Herz schlug ihm bis zum Hals, sein Magen krampfte sich zusammen: Vor ihm gähnte das Nichts! Er stand am Rand des Abgrunds, einen Fuß in der Luft, und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten.
    Er wankte einige Schritte zurück, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und rückte dann zentimeterweise vor, bis er erneut an der Kante stand.
    Vor ihm lag einer der Steinbrüche. Ein weites Rund, ein Dreiviertelkreis aus steilen Felswänden, und am Grunde der Schüssel ein dunkler See. Der Anblick der Schneeflocken, die vor ihm in die Tiefe sanken, verstärkte sein Schwindelgefühl noch. Direkt vor ihm ging es fünfzehn oder zwanzig Meter steil

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