Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
so etwas wie Hoffnung.
»Ich bezweifle es.« Logan sah zu, wie der kleine Körper behutsam in einen Leichensack gerollt wurde, der viel zu groß für ihn war. »Das Opfer ist weiblich, nicht männlich. Die Art und Weise der Beseitigung ist auch anders: Das Mädchen ist mit einem halben Kilometer Paketklebeband verschnürt. Keine Anzeichen von Strangulation. Vielleicht ist sie missbraucht worden, aber dazu müssen wir die Obduktion abwarten.«
Insch fluchte wieder. »Sagen Sie ihnen, ich will, dass das Kind noch heute drankommt, okay? Ich will nicht die ganze Nacht Däumchen drehen, während die Zeitungen schon an ihren Horrorstorys basteln! Noch heute!«
Logan verzog das Gesicht. Er brannte nicht gerade darauf, Isobel die Nachricht zu überbringen. Bei ihrer gegenwärtigen Laune war zu befürchten, dass sie erst einmal ihn obduzieren würde. »Ja, Sir.«
»Lassen Sie sie waschen und fotografieren. Ich will, dass Plakate rausgehen: Haben Sie dieses Mädchen gesehen?«
»Ja, Sir.«
Zwei der Spurensicherer hoben den Leichensack hoch und platzierten ihn vorsichtig in einer Ecke des Zeltes, wo er nicht im Weg war. Dann begannen sie den Müll aus dem Sack einzusammeln, in dem das Mädchen gelegen hatte, und achteten darauf, alles sorgfältig zu verstauen und zu etikettieren. Bananenschalen, leere Flaschen, Eierschalen … Das arme Ding war dem Täter noch nicht einmal die Mühe wert gewesen, es irgendwo zu verscharren. Er hatte es ganz einfach in den Müll geworfen.
Logan versicherte dem Inspector gerade, dass er ihn wieder anrufen würde, sobald sie etwas Neues wüssten, als Constable Watson plötzlich »Stopp!« rief: Sie machte einen Satz nach vorn und fischte einen zusammengeknüllten Zettel aus dem Müll, der sich auf die Plastikplane ergossen hatte.
Es war ein Kassenbon.
Logan bat Insch, einen Moment zu warten, während Watson den verschmierten Fetzen entfaltete. Er stammte von dem großen Tesco-Supermarkt in Danestone. Irgendjemand hatte dort ein halbes Dutzend Eier aus Freilandhaltung, eine Packung Crème fraîche, zwei Flaschen Cabernet Sauvignon und eine Packung Avocados gekauft. Und bar bezahlt.
Watson stöhnte auf. »Verdammt.« Sie drückte Logan den Bon in die Hand. »Ich hatte gehofft, dass er vielleicht mit Kreditkarte bezahlt hätte. Oder mit einer Kundenkarte.«
»Das wäre wohl ein bisschen zu viel Glück auf einmal.« Er drehte den Zettel in der Hand hin und her. Eier von glücklichen Hühnern, Wein, Sahne für Besserverdiener und Avocados … Logans Blick fiel auf die Zeile unter dem letzten Artikel, und ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus.
»Was?« Watson wirkte verärgert. »Was ist denn daran so witzig?«
Logan hielt den Bon hoch und grinste sie an. »Constable Watson hat in dem Müllsack, in dem die Leiche lag, einen Kassenbon gefunden … Nein, Sir, er hat bar bezahlt.« Logans Lächeln wurde noch breiter. »Aber er hat sich die Punkte auf seiner Kundenkarte gutschreiben lassen.«
Der South Anderson Drive war um diese Tageszeit die Hölle, aber der North Anderson Drive war noch schlimmer. Quer durch die ganze Stadt standen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Rushhour.
Der Staatsanwalt war endlich doch noch aufgekreuzt, war am Tatort herumgetapst, hatte sich über den Stand der Ermittlungen berichten lassen, hatte geklagt, dass dies schon das zweite Kind sei, das innerhalb von zwei Tagen tot aufgefunden worden war, hatte angedeutet, dass dies alles Logans Schuld sei, und sich wieder aus dem Staub gemacht.
Logan wartete, bis er und Constable Watson sicher hinter den beschlagenen Scheiben ihres Wagens saßen, ehe er ausführte, was er gerne mit dem Staatsanwalt machen würde, wenn er einen Kaktus und eine Tube Mobilat zur Hand hätte.
Für die Strecke von der Müllkippe in Nigg bis zu dem riesigen Tesco in Danestone brauchten sie weit über eine Stunde. Der Supermarkt war ideal gelegen: nicht weit von dem Hochwasser führenden Don, nur einen Katzensprung vom alten Klärwerk, dem Friedhof von Grove und dem Schlachthof von Grampian Country Chickens entfernt – und nicht weit von der Stelle, wo sie David Reids aufgeschwemmte Leiche gefunden hatten.
Der Markt war gut besucht; die zahlreichen Mitarbeiter des nahe gelegenen Forschungs- und Technologiezentrums deckten sich hier mit Alkohol und Fertiggerichten für einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher ein.
Gleich am Eingang war ein Kundenberatungsschalter, an dem sie ein jung aussehender Mann mit langem blondem
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