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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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gestopft mit toten Katzen und Hunden, Igeln und Möwen – sogar zwei Rothirsche waren darunter. Alle Kreaturen, die je auf vier Beinen gelaufen, durch die Luft geflogen oder über den Boden gekrochen waren – hier waren sie versammelt. Es war so etwas wie eine Arche für Nekrophile. Nur dass es von jedem Tier weitaus mehr als nur zwei Exemplare gab.
    »Was werden Sie mit dem ganzen Viehzeug machen?«, fragte Logan. Selbst eine halbe Packung von PC Steves extrastarken Pfefferminzbonbons hatte den schlechten Geschmack in seinem Mund nicht beseitigen können.
    Der Mann von der Stadt blickte zu ihm auf. Seine Augen waren vom wiederholten Erbrechen schweinchenrosa. »Wir werden sie alle wegschaffen und verbrennen müssen«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über das schweißnasse Gesicht. Er schüttelte sich. »Das wird Tage dauern.«
    »Hauptsache, wir haben damit nichts …« Logan brach ab. Am Ende der langen Zufahrt bewegte sich etwas.
    Es war ein Mann in verwaschenen Jeans und einem leuchtend orangefarbenen Anorak. Er stapfte über den geteerten Abschnitt der Straße und schien dabei nichts zu sehen als seine eigenen Schuhe.
    »Pssssssst!«, zischte Logan. Er zog den Mann von der Stadt und den grüngesichtigen Constable zu sich heran. »Sie gehen hinter das Gebäude dort«, flüsterte er Constable Steve zu und deutete auf die Nummer zwei.
    Er sah dem Constable nach, als dieser durch das regennasse Gestrüpp davonmarschierte. Als Steve seinen Posten bezogen hatte, zupfte Logan an der Jacke des Stadtbediensteten. »Jetzt können Sie Ihr Schreiben überreichen«, sagte er und trat vor auf das platt getrampelte Gras.
    Der Mann in dem orangefarbenen Anorak war keine zwei Meter mehr von ihnen entfernt, als er endlich aufblickte.
    Logan hatte den Namen nicht einordnen können, aber das Gesicht kannte er: Es war Roadkill, der Kadavermann.
    Sie saßen auf einer behelfsmäßigen Bank gleich hinter dem Eingang von Gebäude Nummer fünf. Mr. Bernard Duncan Philips, auch Roadkill genannt, hatte sich hier so etwas wie ein trautes Heim eingerichtet. Ein dicker Stapel aus Decken, alten Mänteln und Plastiksäcken in einer Ecke des Zimmers diente offensichtlich als Bett. An der Wand über dem Nest hing ein grob gezimmertes Kruzifix – nur dass statt Christus ein halb nackter Action-Man an das selbst gebastelte Holzkreuz genagelt war.
    Neben der Schlafstatt lag ein kleiner Berg von leeren Konservendosen und Eierkartons, daneben stand ein kleiner Campingkocher. So ein Ding hatte Logans Vater immer dabei gehabt, wenn sie in den Sommerferien mit dem Wohnwagen nach Lossiemouth gefahren waren. Im Moment zischte das Gerät vor sich hin und kochte einen Kessel Teewasser.
    Roadkill – es fiel schwer, ihn sich als »Bernard« vorzustellen – saß auf einem klapprigen Holzstuhl und stocherte in einem kleinen Feuer herum. Dabei war es gar kein richtiges Kaminfeuer, nur ein elektrisches Heizöfchen mit zwei Heizstäben, so tot wie die Tiere in den Gebäuden eins bis drei. Aber er schien seine Freude daran zu haben. Er bearbeitete es mit einem kunstvoll geschmiedeten Schürhaken und summte dabei eine Melodie, die Logan nicht erkannte.
    Der Mann von der Stadt war erstaunlich ruhig, jetzt, da Roadkill gekommen war. Er legte die Situation in kurzen Sätzen und leicht verständlichen Worten dar: Die Berge von toten Tieren mussten verschwinden.
    »Das können Sie doch sicherlich verstehen, Bernard«, sagte er und tippte mit dem Zeigefinger auf sein Klemmbrett. »Sie dürfen hier keine toten Tiere horten. Das ist eine große Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Wie würden Sie das denn finden, wenn die Leute wegen Ihrer toten Tiere krank würden?«
    Roadkill zuckte nur die Achseln und stocherte wieder auf das Heizöfchen ein. »Mutter ist krank geworden«, sagte er, und Logan fiel sogleich der fehlende Akzent auf. Er hatte immer angenommen, dass jemand, der als städtischer Arbeiter die toten Tiere von der Straße kratzte, eine viel ausgeprägtere Dialektfärbung haben müsste. Manche dieser Leute konnte man schier nicht verstehen. Anders Roadkill. Ganz offensichtlich hatte der Mann, der da auf einem knarrenden Esszimmerstuhl saß und in einem toten elektrischen »Kaminfeuer« herumstocherte, eine Art klassischer Erziehung durchlitten. »Sie ist krank geworden, und sie ist von uns gegangen«, fuhr Roadkill fort und blickte zum ersten Mal auf. »Jetzt ist sie bei Gott.« Er war ein gut aussehender Mann, wenn man sich den ganzen Schmutz

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