Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
nicht noch fünfzehn, zwanzig Minuten Zeit?«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Nee. Der DI hat ausdrücklich gesagt: sofort in die Soko-Zentrale, sobald Sie zurück sind.«
Während Constable Steve sich abtrocknen ging, marschierte Logan grummelnd zum Aufzug und bearbeitete wütend den Knopf mit dem Zeigefinger. Im dritten Stock angekommen, stapfte er den Flur hinunter, an dessen Wänden hier und da schon Weihnachtskarten hingen. An den Pinnwänden steckten sie zwischen Plakaten mit der Aufschrift » Haben Sie diese Frau gesehen «, Sprüchen wie » Häusliche Gewalt – es gibt keine Entschuldigung! « und all den anderen Fahndungs- und Infoplakaten, die von der Pressestelle herausgegeben wurden. Kleine Lichtblicke inmitten all des Elends und des Leids.
In der Soko-Zentrale war die Hölle los. Constables und Detectives beiderlei Geschlechts rannten mit Papieren in der Hand hin und her oder hoben eines der permanent dudelnden Telefone ab. Und inmitten des ganzen Trubels saß Detective Inspector Insch auf einer Schreibtischkante und sah einem Beamten über die Schulter, der sich hastig Notizen machte, den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt.
Es war etwas passiert.
»Was ist los?«, fragte Logan, als er sich patschend durch das Getümmel gekämpft hatte.
Der Inspector hob Ruhe heischend die Hand und beugte sich weiter vor, um das Geschriebene lesen zu können. Schließlich gab er einen enttäuschten Seufzer von sich und wandte seine Aufmerksamkeit Logan zu. Eine Augenbraue schoss in die Höhe, als er den Zustand seines Detective Sergeants bemerkte. »Waren Sie etwa schwimmen?«
»Nein, Sir«, antwortete Logan, der spürte, wie ihm das Wasser über den Nacken in den bereits durchweichten Kragen tropfte. »Es regnet draußen.«
Insch zuckte die Achseln. »Was haben Sie erwartet? – Wir sind hier in Aberdeen. Hätten Sie sich nicht abtrocknen können, ehe Sie hier reingelatscht kommen und mir meine schöne saubere Soko-Zentrale voll sauen?«
Logan schloss die Augen und gab sich Mühe, nicht auf die Provokation einzugehen. »Der Wachhabende sagte, es sei dringend, Sir.«
»Es wird schon wieder ein Kind vermisst.«
Die Scheiben beschlugen so schnell, dass das Gebläse nicht mehr nachkam. Logan hatte es voll aufgedreht, ebenso wie die Heizung, aber die Außenwelt blieb weiter hinter den milchigen Seitenfenstern verborgen. DI Insch saß auf dem Beifahrersitz und kaute nachdenklich vor sich hin, während Logan angestrengt durch die Windschutzscheibe auf die dunkle, regennasse Straße hinausspähte und sich bemühte, sie beide heil durch die Stadt und nach Hazlehead zu bringen, wo die Eltern des vermissten Kindes wohnten.
»Wissen Sie was?«, sagte Insch. »Seit Sie wieder im Dienst sind, hatten wir zwei Entführungen, ein totes Mädchen und einen toten Jungen, und wir haben eine Leiche ohne Knie aus dem Hafenbecken gefischt. Und das alles binnen drei Tagen. Das ist Rekord für Aberdeen.« Er wühlte in seiner Tüte mit saurer Fruchtgummimischung und fischte etwas heraus, das Ähnlichkeit mit einer Amöbe hatte. »Allmählich glaube ich, dass auf Ihnen eine Art Fluch lastet.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Das versaut mir meine ganze Verbrechensstatistik«, fuhr Insch fort. »Fast meine komplette Truppe ist entweder damit beschäftigt, die vermissten Kinder zu suchen oder herauszufinden, wer das kleine Mädchen in dem Müllsack war. Wie soll ich denn mit den Einbrüchen und Betrügereien und den Erregungen öffentlichen Ärgernisses fertig werden, wenn ich keine verdammten Uniformierten mehr zur Verfügung habe?« Er seufzte und bot Logan die Tüte an.
»Nein danke, Sir.«
»Ich sag’s Ihnen, das Vorgesetzten-Dasein hat weniger Vorzüge, als Sie glauben.«
Logan sah den Inspector von der Seite an. Insch gehörte nicht zu den Polizeibeamten, die sich gewohnheitsmäßig in Selbstmitleid ergingen. Zumindest hatte er davon noch nichts mitbekommen. »Weil man ständig Uniformierte beaufsichtigen muss, meinen Sie?«, fragte er.
Ein Lächeln erhellte DI Inschs fleischiges Gesicht. »Hat Ihnen Roadkills kleine Sammlung gefallen?«
Er hatte also von Anfang an von diesen Ställen und Scheunen voller verwesender Tierleichen gewusst. Er hatte das mit voller Absicht getan.
»Ich glaube, ich habe mich noch nie im Leben so oft übergeben müssen.«
»Wie hat Constable Jacobs reagiert?«
Logan wollte gerade fragen, wer Constable Jacobs war, als ihm klar wurde, dass der Inspector Steve meinte, den betrunkenen
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