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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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zutiefst entsetzt über das, was sie da zu hören bekamen. Gerald Cleavers Gesicht jedoch blieb so glatt und ausdruckslos wie ein Stück Butter.
    Der Staatsanwalt dankte dem Zeugen für seinen Mut und überließ ihn dann dem Verteidiger zum Kreuzverhör.
    »Jetzt geht’s los.« Constable Watsons Stimme triefte vor Verachtung, als Sandy die Schlange, auch bekannt als der schleimige Widerling, seinem Mandanten auf die Schulter klopfte und zur Geschworenenbank hinüberschlenderte. Lässig lehnte er sich an die hölzerne Balustrade, die die Sitzbänke nach vorn abschloss, und lächelte die versammelten Männer und Frauen an. »Martin«, sagte er, wobei er nicht etwa den jungen Mann, sondern die Geschworenen anschaute, »Sie sind hier im Gericht nicht gerade ein Unbekannter, nicht wahr?«
    Der Staatsanwalt sprang auf, als hätte ihm jemand eine Tausend-Volt-Ladung durch den Hintern gejagt.
    »Einspruch! Die Vergangenheit des Zeugen hat mit dem hier zu verhandelnden Fall nicht das Geringste zu tun.«
    »Euer Ehren, ich versuche lediglich zu ergründen, wie es um die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen bestellt ist.«
    Der Richter blickte durch seine Brillengläser auf den Anwalt herab und sagte: »Sie dürfen fortfahren.«
    »Danke, Euer Ehren«, erwiderte die Schlange. »Martin, Sie sind bereits achtunddreißigmal vor diesem Gericht erschienen, habe ich Recht? Einbruch, vorsätzliche Körperverletzung, diverse Anzeigen wegen Drogenbesitzes, eine wegen Drogenhandels, des Weiteren Ladendiebstahl, Brandstiftung, Erregung öffentlichen Ärgernisses …« Er hielt inne. »Als Sie vierzehn Jahre alt waren, versuchten Sie, eine Minderjährige zum Geschlechtsverkehr zu überreden, und als sie sich weigerte, schlugen Sie sie so brutal zusammen, dass ihr Gesicht mit dreiundvierzig Stichen genäht werden musste. Sie wird nie Kinder haben können. Und erst gestern sind Sie wegen Masturbierens in einem Damen-Umkleideraum verhaftet worden …«
    »Euer Ehren, ich erhebe entschieden Einspruch!«
    Und so ging es noch zwanzig Minuten weiter. Sandy die Schlange nahm den Zeugen in aller Seelenruhe auseinander und ließ ihn als fluchendes, schluchzendes Nervenbündel mit feuerrotem Gesicht zurück. Jede Demütigung, die Gerald Cleaver ihm angetan hatte, wurde als Produkt der gestörten Fantasie eines Kindes wegerklärt, das verzweifelt um Aufmerksamkeit rang. Bis Martin sich schließlich mit dem Schrei »Ich bring dich um, du Schwein!« auf den Anwalt stürzte.
    Er wurde überwältigt.
    Sandy die Schlange schüttelte betrübt den Kopf und entließ den Zeugen.
    Auf dem Weg zu den Arrestzellen fluchte Watson in einem fort. Erst als Logan ihr von dem neuen Auftrag erzählte, hellte sich ihre Laune ein wenig auf.
    »DI Steel will, dass ich der Sache mit Geordie Stephenson nachgehe – das ist der Tote, den sie aus dem Hafenbecken gefischt haben«, erklärte er, als sie den langen Flur entlanggingen, der den Verhandlungssaal mit dem Zellentrakt verband. »Ich sagte, ich würde Hilfe brauchen, und Insch schlug Sie vor. Er sagte, Sie würden dafür sorgen, dass ich keine Dummheiten mache.«
    Watson lächelte, erfreut über das Kompliment, von dem sie nicht wusste, dass es auf Logans Mist gewachsen war.
    Martin Strichen war vom Gerichtssaal direkt in die Arrestzelle verfrachtet worden. Als Logan und Watson dort ankamen, saß er im flackernden Schein der Deckenbeleuchtung auf einer schmalen grauen Pritsche, den Kopf in die Hände gestützt, und stöhnte leise, während der Rücken seines geliehenen Jacketts unter der Anspannung ächzte und die Naht mit jedem Schluchzen, das seinen massigen Leib erbeben ließ, deutlicher hervortrat.
    Logan blickte auf ihn hinunter und wusste nicht recht, wie er darüber denken sollte. Es war furchtbar, dass ein Kind die Art von Misshandlungen erleiden musste, die Gerald Cleaver seinen Opfern angetan hatte. Und dennoch konnte er nicht vergessen, was der gerissene Sandy gesagt hatte. Diese Latte von Vorstrafen – Martin Strichen war zweifellos eine miese kleine Ratte. Aber das bedeutete nicht, dass er nicht unter Gerald Cleavers Untaten gelitten hätte.
    Watson unterschrieb für Martin Strichen, und sie führten den vor sich hin schluchzenden jungen Mann in Handschellen die Treppen hinauf und zum Hinterausgang hinaus. Es waren nur wenige Schritte bis zu dem Zivilwagen, den Logan sich ausgeliehen hatte. Als Watson den Kopf des Gefangenen nach unten drückte, damit er ihn sich nicht am Wagendach anstieß, sagte Strichen

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