Die dunklen Wasser von Arcachon
vier Herren der Republik, die sich mit ihm das Hotel teilten. Der Schleier seiner Anonymität war zerrissen, und auf Überraschungseffekte konnte er nicht mehr hoffen.
Was soll’s , dachte Kirchner, er spürte seinen alten Sportsgeist in sich, dann muss es eben anders gehen .
Das Treffen mit dem alten Moreau war für elf Uhr verabredet, er hatte noch gut eineinhalb Stunden Zeit. Moreau hatte ihn zu sich nach Hause eingeladen, er wohnte in Biganos, landeinwärts vom großen Vogelreservat, nicht sehr weit von Gujan-Mestras.
Kirchner verwarf die Idee, die Friseurläden der Gegend abzuklappern, um Lacombes Geliebte womöglich zufällig ausfindig zu machen, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Glückstreffers schien ihm zu gering. Er fand aber auf der Strecke ein Büro der Immobilienfirma Residences d’Excellence , die in ganz Frankreich bekannt dafür war, nur mit luxuriösesten Objekten zu handeln.
Kirchner parkte und trat ein.
Hinter dem einen der beiden Schreibtische saß eine wasserstoffblondierte Maklerin, deren Haut von vielen Sitzungen im Sonnenstudio fast kastanienbraun war. Ihr zur Rechten saß an einem zweiten Schreibtisch ein junger Kollege mit gelbem Schlips über einem zweifarbigen Hemd mit blauer Brust und weißem Kragen.
Kirchner bemerkte, dass sie beide bei der Begrüßung an ihm vorbei nach draußen blickten, um auf dem Nummernschild des Landrovers seine Herkunft abzulesen. Kein Zweifel, dass sie hier auf Kundschaft aus dem Departement 75 warteten, aus Paris. Die 14 auf Kirchners Plakette, Calvados, ließ kein großes Geschäft erwarten.
»Was können wir für Sie tun, Monsieur«, sagte die Blonde müde, »kann ich Ihnen einen kleinen Kaffee anbieten? Oder etwas anderes?«
Es hatte etwas Anzügliches, wie sie dieses »oder etwas anderes« sagte.
Kirchner erfand irgendeine Geschichte, um seinen Besuch zu rechtfertigen. Er sagte, er habe die nasskalte Normandie satt und könne sich einen Umzug Richtung Süden gut vorstellen und im Übrigen auch leisten. Ihm schwebe ein Häuschen direkt am Wasser vor, etwas Uriges, vielleicht eine alte Fischerhütte, die man sich hübsch machen könnte.
Die Wasserstoffblondierte nickte jovial und pflichtete ihm in allen Punkten bei. »Die Normandie«, sagte sie, »ist wirklich kein Ort zum Leben. Meine Schwester hat vor Jahren nach Caen geheiratet, und – was soll ich Ihnen sagen, Monsieur? – sie ist darüber depressiv geworden.«
»Na bitte, dann wissen Sie ja ganz genau, worum es geht.«
Gemeinsam gingen die beiden ein paar Angebote durch. In La Pignade und Le Moret standen Objekte zu gesalzenen Preisen zum Verkauf, Hundert-Quadratmeter-Häuschen ohne Grundstück für sechshunderttausend Euro.
»Aber direkt am Wasser«, sagte die gebräunte Blonde, »das Meer selbst wird Sie und Ihre Lieben in den Schlaf singen, Monsieur.«
Kirchner fragte nach Le Canon, und das war eine ganz unverdächtige Frage. Er war in dem Ort schon einmal gewesen, einige Jahre zuvor, er erinnerte sich gut an das pittoreske Dorf, es war ein Haufen bunter, romantischer Fischerhäuschen, ein wirklich malerischer Weltwinkel.
»Ja, Le Canon«, sagte die Maklerin, »tout le monde will nach Le Canon, nicht wahr? Und man kann es ja verstehen, so schön, wie es ist.«
Residences D’Excellence hatte in Le Canon nur zwei Objekte in zweiter und dritter Reihe im Angebot, nichts direkt am Wasser.
»Diese Prachtstücke werden eigentlich nur vererbt und kaum je verkauft«, warf der Mann mit dem gelben Schlips ein.
Die Häuschen kosteten noch mehr als jene in La Pignade und Le Moret. Das größere der beiden, achtzig Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Etagen, wurde angeboten für achthundertfünfzigtausend Euro, das war ein Preis wie in den angesagtesten Innenstadtvierteln von Paris.
»Es mag Ihnen verrückt vorkommen«, sagte Kirchner, »aber ließe sich vielleicht auch ein freies Grundstück finden, direkt an der Bucht? Ich meine, ein Baugrundstück, deutlich größer als alles, was Sie mir hier zeigen?«
Die beiden Makler sahen sich an, als hörten sie diese Frage nicht zum ersten Mal. Es war die typisch ahnungslose Frage eines Ortsfremden, der von den lokalen Gegebenheiten keinen Schimmer hatte. Kirchner stellte sie bewusst und mit unschuldigem Augenaufschlag und war gespannt auf die Antwort.
»Grundstücke …«, sagte die Maklerin, »da werden Sie hier lange suchen müssen, mon cher Monsieur.«
Sie erzählte, dass die zuständige Präfektur in Bordeaux gerade an einem neuen
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