Die Durchschnittsfalle (German Edition)
überspitzt beschreibende Beispiel, dass es Menschen gibt, die mehr mit ihren Hunden als mit ihren eigenen Kindern sprechen. Und während die Kinder die Sprache der Eltern nach geraumer Zeit perfekt beherrschen, schaffen Hunde trotzdem nie mehr als zu knurren und zu bellen. Das sind vielleicht Beispiele, die für unsere Diskussion etwas zu kurz greifen, die aber doch klarmachen, dass es für viele Dinge, die wir können, besondere genetische Leistungsvoraussetzungen gibt.
Zwillinge
Eineiige Zwillinge entstehen dadurch, dass nach Verschmelzung einer Eizelle mit einer Samenzelle der sich entwickelnde Embryo noch einmal in zwei Embryonen teilt. Daraus ergibt sich zwingend, dass eineiige Zwillinge genetisch identisch sind – zumindest auf der Ebene ihrer DNA-Sequenz, ihrer ATCG-Sequenz. „Jedoch führt die Natur selbst Experimente durch, die großen Aufschluss in der ‚Nature or nurture‘-Debatte geben: Die Bildung von eineiigen Zwillingen, die genetisch identisch sind. Durch die Analyse von eineiigen Zwillingen, die zusammen in einer Familie oder getrennt aufwuchsen, kann man herausfinden, welche Anlagen und Merkmale konstant sind, d. h. genetisch gesteuert und welche durch das jeweilige Milieu beeinflusst werden … Etliche, aber natürlich nicht alle unsere Merkmale und Verhaltensweisen sind genetisch determiniert. Andere lassen uns mehrere Optionen zu und sind sehr stark durch Milieu und Lernen zu beeinflussen … Vergleichende Untersuchungen belegen aber, dass die menschliche Natur weder vollständig genetisch determiniert ist, noch alleine durch das Milieu oder Lernen erklärt werden kann. Nature und Nurture sind wichtige Partner, die sich wechselseitig beeinflussen“, schreibt dazu etwa Prof. Michael Wink in „Vererbung und Milieu“.
Betrachtet man eineiige Zwillinge mit der Frage im Hinterkopf, was sie stets oder sehr oft gleich haben, also wo Gene eine größere Rolle spielen, so fallen sofort die Aspekte der Äußerlichkeiten auf. Eineiige Zwillinge sehen sich sehr, oft zum Verwechseln, ähnlich. Körpergröße, das Geschlecht, Augenfarbe, Hautfarbe, Haarfarbe und vieles mehr sind sehr stark genetisch determiniert. Darüber gibt es keine Zweifel. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben aber auch gezeigt, dass bei der Entwicklung von Eigenschaften und Verhaltensweisen des Menschen Gene zwar auch eine Rolle spielen, die Umwelt aber von größter Bedeutung ist. So komplexe Merkmale des Menschen, die wir gerne später als „so etwas wie“ eine Begabung beschreiben würden, oder etwa auch Intelligenz, haben ohne Zweifel multifaktorielle Entstehungsgeschichten. Es spielen also Gene und Umwelt, gegenseitig unverzichtbar, zusammen.
Prof. Hubert Markl von der deutschen Max-Planck-Gesellschaft betont konsequent schlussfolgernd in seinem Artikel „Wider die Gen-Zwangsneurose“ im Band „Vererbung und Milieu “: „… dass Gene auch beim Menschen nicht nur für die Fabrikation von Haar- oder Augenfarben, Leberenzymen, Wachstumsstörungen … zuständig sind, sondern als ganzes Genom an der Entwicklung und Entfaltung aller Eigenschaften des ganzen Menschen, also auch seines Verhaltens ursächlich beteiligt sind.“ Und Prof. Franz E. Weinert zieht in seinem Artikel „Begabung und Lernen. Zur Entwicklung geistiger Leistungsunterschiede“ (im selben Buch) weiters den Schluss: „Die klassische Alternative, ob Lernen und unterschiedliche Intelligenzleistungen durch die Natur festgelegt sind und / oder durch gezielte Bildungseinflüsse entstehen, ist nicht zugunsten einer der beiden Seiten der Alternative zu entscheiden … Der pädagogischen Utopie einer Egalisierung unterschiedlicher Intelligenzleistungen durch eine Bildungsoffensive, wie man sie in den 60er Jahren propagierte, ist ebenso eine Absage zu erteilen, wie den Genen als naturwüchsigen Anlagen … die alleinige Verantwortung zuzuweisen …“ Der renommierte deutsche Hirnforscher Prof. Gerhard Roth hat in einem Interview aus dem Jahr 2011 zusammengefasst, was es aus Sicht der Hirnforschung dazu festzuhalten gibt: „Das kann man heute aufgrund von Studien an eineiigen Zwillingen, die getrennt aufgewachsen sind, ziemlich genau sagen: Die Intelligenz eines Menschen etwa ist zu 50 % angeboren. Auf diesen Wert kommen alle Experten, gleich welchen ideologischen Lagers. Aber: Es gibt nicht das eine Intelligenz-Gen, ja noch nicht einmal mehrere spezifische Intelligenz-Gene. Man vermutet, dass … etwa 15.000 Gene fürs Gehirn zuständig
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