Die Durchschnittsfalle (German Edition)
mehr genau nachvollziehbar. Die Wörter Talent und Begabung werden synonym verwendet. Im Duden steht unter Talent „Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen beziehungsweise überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt“ und unter Begabung „das Begabtsein; natürliche Anlage, angeborene Befähigung zu bestimmten Leistungen; Talent.“ Im Brockhaus-Lexikon findet man unter Talent: „angeborene Anlage zu guten Leistungen auf einem bestimmten Gebiet.“ Und wenn man den Begriff Begabung bei Wikipedia googelt, so liest man dort den Satz: „… Begabungen setzen stets auch eine genetische Komponente voraus …“ Also „angeboren“, also „genetisch“ – na, dann ist ja alles klar: Man hat es, oder man hat es nicht. Selbst das einstige chinesische Wunderkind und heutiger Starpianist Lang Lang hat auf die Frage „Was ist Talent?“ einmal gesagt: „Man hat es oder eben nicht.“ Da könnte schon zumindest ein bisschen etwas dran sein. Aber so einfach ist das alles allerdings ganz sicher nicht.
Das größte Problem an den Begriffen Talent und Begabung besteht darin, dass sie etwas beschreiben, was sich unserer Beobachtung und daher auch der Bestimmbarkeit und Messbarkeit eigentlich mehr oder weniger entzieht. Sie denken sich jetzt sicher, aber der Gesang von Elīna Garanča oder das Ballgefühl von Lionel Messi, das höre und sehe ich ja! Was Sie hören und sehen, ist aber nicht notwendigerweise das Talent im Sinne von Leistungsvoraussetzungen, sondern ist das Produkt, der erzielte Erfolg, ist vielleicht die Umsetzung bestimmter Leistungsvoraussetzungen. Ich habe bereits gesagt, dass es besondere Leistungsvoraussetzungen gibt, die je nach Fragestellung meiner Meinung nach größere oder kleinere genetische Komponenten haben. Diese Leistungsvoraussetzungen müssen durch harte Arbeit entdeckt und in eine besondere Leistung (= Erfolg) umgesetzt werden. Das ist eine Grundformel für das Erzielen von Erfolgen und stellt auch die Grundformel meiner Hypothesen dar.
Seit Langem schon wird eine polarisierende Diskussion darüber geführt, ob Talent nun genetisch oder erlernbar ist. Ich finde diese Debatte lähmend und entbehrlich. Eines der vielen Probleme jener Diskussion besteht allerdings darin, dass niemand wirklich definiert, was mit Talent oder Begabung gemeint ist. Meint man eher die besonderen Leistungsvoraussetzungen jedes Einzelnen für das Erzielen besonderer Leistungen, so kann man sich durchaus auch Gedanken über bestimmte genetische Anlagen dafür machen. So ist es etwa vollkommen unbestritten, dass die Stimme jedes Menschen und daher auch die einer Sängerin von der Erstklassigkeit wie einer Elīna Garanča mit der Anatomie des Stimmorgans zusammenhängt und damit körperlich genetische Komponenten eine Rolle spielen. Und es bleibt wohl auch unumstritten, dass für jede Sportart (und eben auch für Fußball) bestimmte körperliche und damit auch genetische Voraussetzungen hilfreich sein können. Meint man mit Talent allerdings das sichtbare Produkt, so hängt das natürlich ganz entscheidend davon ab, mit welcher Intensität, Begeisterung und Konsequenz der Träger bestimmter Leistungsvoraussetzungen bereit ist, diese in eine besondere Leistung umzusetzen und ob man ihm die idealen Möglichkeiten und Voraussetzungen dafür überhaupt bietet. Und schon sind wir bei „Üben, üben, üben“ (ich komme gleich darauf zurück).
Die Diskussion über „Genetik ODER Umwelt“ (nature or nurture – Natur oder Erziehung) sollte einerseits vorher klären, was man beschreiben möchte, und andererseits auch akzeptieren, dass es, wenn auch vielleicht nicht immer, so doch sehr oft auf „Genetik UND Umwelt“ hinausläuft. In seinem Buch „Das Genie in mir“ schreibt der deutsche Wissenschaftsredakteur Werner Siefer zu dieser Problematik der unklaren umgangssprachlichen Verwendung sehr treffend : „Die Einschätzung von Begabung geschieht also aus einem Zirkelschluss heraus: Kann eine Person mehr, gilt sie als begabt. Und warum ist sie begabt? Na sie kann doch mehr!“ Ich habe es schon im Jahr 2008 in meinem Beitrag „Begabung und Genetik“ für das Buch „Potenzial und Performanz“ so versucht, es auszudrücken: „Das Talent, die Begabung ist nicht automatisch sichtbar. Sichtbar, messbar und vergleichbar ist nur die besondere Leistung.“ Dazu später mehr. Ich möchte jedoch an dieser Stelle wenigstens anmerken, dass es daher auch schwer zu
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