Die Durchschnittsfalle (German Edition)
eindeutig der Konsens der Wissenschaft betreffend Empathie heute ist: Empathie, wie sozial und verständnisvoll jeder Einzelne von uns ist, hängt sehr stark von den Genen ab. Die Empathie eines Menschen stellt eine biologische, eine genetische, besondere Leistungsvoraussetzung dar. Der Umweltaspekt kommt in diesem Fall hauptsächlich dann zum Tragen, wenn es um die Frage geht, wann, wie und wo Empathie zum Einsatz kommt beziehungsweise kommen kann. Unzählige Studien von Psychologen gemeinsam mit Genetikern und vielen anderen Fachrichtungen haben das immer wieder und unmissverständlich gezeigt. Mit der Fähigkeit oder besser mit seinem individuellen Ausmaß an Empathie wird der Mensch geboren und diese Anlage ändert sich per se sein ganzes Leben lang nicht wesentlich.
Nachdem diese Tatsache schon lange als erwiesen gilt, könnte man auch schon unzählige Forschungsergebnisse anführen, die auch wirklich Gene identifiziert haben, die für Empathie verantwortlich sind. Ich möchte stellvertretend zwei erwähnen. Einerseits hat die Gruppe um Jules Panksepp von der University of Wisconsin bereits in mehreren unabhängigen Studien zeigen können, dass die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, bei Mäusen vererbt wird. Das Mitgefühl, unangenehmes Empfinden anderer Mäuse selbst auch als unangenehm zu empfinden, vererbt sich nach bestimmten genetischen Mauslinien (Chen Q. et al.: PLoS One. 4: e4387, 2009). Das bedeutet eigentlich, dass es weniger und höher empathische Familien gibt. Unglaublich, oder? Eine andere ganz aktuelle Studie hat etwa die enorme Kraft eines einzigen Gens für die Ausprägung von Empathie zeigen können. Das Hormon Oxytocin verstärkt die Eltern-Kind-Bindung, löst bei Müttern die Milchproduktion aus, fördert Vertrauen, Stresstoleranz, die Großzügigkeit und das Einfühlungsvermögen. Wenn es auch sicher ist, dass Empathie von vielen Genen mitbeeinflusst wird, so haben die Autoren doch zeigen können, dass verschiedene Varianten des Gens für den Oxytocin-Rezeptor, über den das Hormon seine Wirkung entfaltet, verschiedenen Menschen verschieden starke empathische Begabung vermitteln (Kogan A. et al.: Proc Natl Acad Sci U S A. 2011). Empathie ist eine so wichtige, offensichtlich stark biologische Leistungsvoraussetzung – lassen Sie es uns doch einfach ein Talent nennen.
Temperament und Persönlichkeit
Eine andere hoch individuelle Anlage des Menschen, die von signifikanter Relevanz für seine Leistungsfähigkeit ist, ist das Temperament. Unabhängig davon, ob wir es als ein Talent oder Begabung im eigentlichen Sinn bezeichnen, Sie werden mir sicher zustimmen, dass das individuelle Temperament für jeden Menschen eine besondere Leistungsvoraussetzung darstellt, die starken Einfluss darauf hat, wie er unter welchen Umständen in der Lage ist, eine Leistung (im Sinne unserer Erfolgsdiskussion) zu erbringen. Das Temperament eines Menschen trägt zu seiner Persönlichkeit bei. Wohingegen die Persönlichkeit hauptsächlich auch durch soziale Faktoren bestimmt wird, sind es beim Temperament im Wesentlichen genetische . Wenn das Temperament auch sehr stark biologisch bestimmt wird, so ist es doch in seinem Ausdruck oder seiner Manifestation durch Umwelteinflüsse noch zumindest modifizierbar. Das Temperament beschreibt, wie ein Mensch agiert und reagiert, also seinen Verhaltensstil. Es formt sich schon sehr früh, wahrscheinlich im Säuglingsalter, und bleibt ein Leben lang mehr oder weniger konstant. Es werden häufig neun Temperamentsfaktoren beschrieben: Aktivität, Regelmäßigkeit und Vorhersagbarkeit, Ansprechbarkeit (Reagibilität) gegenüber unbekannten Reizen, Anpassungsfähigkeit, Reizschwelle, Stimmungslage, Intensität, Ablenkbarkeit und Ausdauer (Resch F., Möhler E.: In Wink M. (Hg.): Vererbung und Milieu). Viele Gene wurden bereits identifiziert, die eine Rolle bei der Ausprägung dieser einzelnen Komponenten spielen – leider führen Veränderungen in diesen Genen nicht selten zu bestimmten Erkrankungen von Kindern.
Und noch einmal die Überlappung der Begabungen
Wir haben uns darauf geeinigt, dass für das Erreichen eines bestimmten Ziels viele besondere Leistungsvoraussetzungen gemeinsam durch harte Arbeit entdeckt und in eine besondere Leistung umgesetzt werden müssen. Wir haben nun in den letzten fünf Kapiteln diskutiert, ob es hierbei neben den so wichtigen Umweltfaktoren auch relevante genetische Aspekte gibt. Ich habe viele davon angeführt.
Nachdem wir nun aber wissen,
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