Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
jedoch kampfbereit in der Luft. Gemächlichen Schrittes kam durch die Gasse eine einsame Gestalt auf sie zu. Im trüben Licht der Straßenlaternen versuchte Flinx zu erkennen, ob die Gestalt womöglich eine Polizeiuniform trug.
Der alte Mann war kräftig gebaut, doch nicht sehr groß. Weiße Bartstoppeln, die offenbar völlig resistent waren gegenüber jeglicher Form der Haarentfernung, bedeckten sein kantiges Gesicht. Sein Unterkiefer stand beträchtlich hervor, als ob er das Opfer irgendeiner unkorrigierbaren Missbildung wäre. Das glatt nach hinten gekämmte Haar war so weiß wie sein Bart und reichte bis zum Kragen des groben Baumwollhemds. Ein kleiner Kommunikator hing deutlich erkennbar an seiner Hüfte, und über einem Ohr steckte ein etwa fingergroßer Indikator. Der Mann ging ein wenig gebeugt. Er mochte vielleicht siebzig Jahre alt sein, oder auch hundert mehr.
In sicherem Abstand blieb der Fremde vor Flinx stehen und präsentierte ein perfektes Großvaterlächeln sowie zwei Reihen überraschend gut erhaltener Zähne. Mit einem schwieligen Finger deutete er nach oben.
»Pfeif deinen geflügelten Satansbraten zurück, Söhnchen. Die Banditen sind getürmt.« Er wies mit dem Kopf auf den toten Gangleader und dessen still vor sich hin zuckende Freundin. »Zumindest die, die noch konnten.«
Flinx hielt Ausschau nach irgendeinem Hinweis auf eine Waffe. »Sie sind vor Ihnen weggerannt, aber wie ich sehe, tragen Sie überhaupt keine Waffe.«
»Macht alles nur der gute Ruf.« Der alte Mann kicherte belustigt. »Hatten Angst, der alte Cayacu würde sie verhexen. Hätte ich auch. Acht gegen einen – das ist nicht okay.« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Wie heißt du?«
Der Mitbürger, an den der alte Mann seine Frage gerichtet hatte, hätte beinahe schon mit »Philip« geantwortet, doch Flinx hielt sich gerade noch zurück. »Mein Name ist Flinx. Und meine kleine Begleiterin hier heißt Pip.« Währenddessen machte es sich die fliegende Schlange wieder auf seiner Schulter bequem, blieb aber aufmerksam und für jedermann sichtbar. Und Flinx spürte, dass sie in dem Neuankömmling keine Gefahr sah.
»Ah, der Satansbraten ist also eine Sie.« Abermals gluckste der Alte in sich hinein. Dann machte er eine weit ausholende Geste. »Du bist doch dieser Bursche, nach dem sie im Verteiler suchen, stimmt's? Komm mit.«
Augenblicklich spannte sich Flinx an und versuchte, sein Gegenüber einzuschätzen. Doch ebenso wie Pip nahm er an ihm nichts Bedrohliches wahr. »Wieso sollte ich mit Ihnen gehen? Damit Sie mich an die Behörden ausliefern und die ausgesetzte Belohnung einkassieren?«
»Ich brauch kein Geld von der Regierung. Du bist ein absonderliches Kerlchen. Und ich hab was übrig für absonderliche Dinge.« Er deutete auf das andere Ende der Gasse, wohin sich der Rest der Straßengang geflüchtet hatte. »Und das wissen die auch. Deshalb sind sie auch abgehauen.« Zwei alte, doch immer noch klare braune Augen betrachteten den wesentlich jüngeren Mann. »Du weißt, was ein Schamane ist, Söhnchen?«
Flinx runzelte die Stirn. »So 'ne Art Hexendoktor?« Ungläubig starrte er den Alten an. »In diesen Zeiten?«
»Und was für Zeiten sind das?« Das zerfurchte Gesicht floss beinahe über vor Weisheit und guter Laune. »Schamanismus kommt nie aus der Mode, Söhnchen. Ganz gleichgültig, welche Fortschritte die Technik auch macht, völlig egal, wie groß die mühsam errungenen wissenschaftlichen Erfolge sind, es wird immer die geben, die mithilfe von Mystizismus und Magie einen Weg finden, die Grenzen der Erkenntnis zu überschreiten. Vergiss nicht, dass es für viele Völker weitaus einfacher ist zu glauben als zu denken.«
»Dann sind Sie also ein bekennender Scharlatan.« Flinx hatte schon immer den Hang gehabt, direkter zu sein, als gut für ihn war.
»Sag das nicht.« Der alte Mann lachte leise. »Nun komm schon, Söhnchen. Sehen wir zu, dass wir dich hier rausbekommen.« Er wandte sich um und machte Anstalten, zu gehen.
Flinx zögerte noch immer. »Sie haben mir nach wie vor keinen triftigen Grund genannt, weshalb ich mit Ihnen gehen sollte.« Pip auf seiner Schulter begann sich endlich wieder zu entspannen, doch er konnte spüren, dass ihr winziges Herz wie ein Miniaturimpulstriebwerk hämmerte.
Cayacu schaute sich zu ihm um. »Weil ich dich bringen kann, wohin du willst. Das heißt, falls es überhaupt einen Ort gibt, an den du willst. Oder möchtest du vielleicht lieber hierbleiben?«
Der
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