Die Ecstasy-Affäre
sie! Und das glaube ich nicht. Eine solche Frau fällt auf … Vor allem in der Ecstasy-Szene muß sie bekannt sein.«
Wie wahr! Die Gefahr war greifbar. Von Gleichem erkannte seine Lage mit aller Klarheit: Wenn dieser Habicht mit dem Foto wirklich eine Spur von Ulrike fand, war es sicher, daß sie alles aufdecken, daß sie um ihr Leben reden würde.
Das Foto durfte nicht mehr im Besitz von Habicht bleiben.
Und es gab nur zwei Möglichkeiten, es an Lok zu übergeben: Entweder tötete Salvatore Habicht lautlos hier im Büro – oder man überließ es Lok, an das Foto zu kommen. Das kam im Endeffekt auf das Gleiche heraus, aber man behielt die Finger sauber. Von Gleichem entschloß sich sofort, Habicht an Lok auszuliefern. Die Stahlschlingen-Methode schien ihm am elegantesten zu sein.
»Ich gebe Ihnen die Adressen meiner Betriebe«, sagte von Gleichem zuvorkommend. Für ihn war Habicht bereits nicht mehr existent. »Und ich wünsche Ihnen den Erfolg, den Sie brauchen. Nur … ich zweifle daran.«
Habicht erhob sich aus dem Sessel. »Ich habe Zeit. Ich bin mit 48 Jahren noch kein alter Mann. Ich kann warten, weil ich weiß, daß ich einmal, wann auch immer, dieser Frau gegenüberstehen werde. Ich bedanke mich für den Cognac.«
Salvatore begleitete Habicht bis vor die Tür und wartete, bis er abgefahren war. Die Pistole drückte in seinem Hosenbund, weil der Schalldämpfer zu lang war. Bolo verschloß wieder die eisenbeschlagene Tür.
»Wer war denn das?« fragte er.
»Ein Toter.«
Bolo verzichtete auf weitere Erklärungen. Man soll Salvatore Brunelli nicht zuviel fragen …
In seinem Büro dachte von Gleichem noch einmal kurz nach und griff dann zum Telefon.
»Bitte Herrn Lok!« sagte er, als sich eine helle Mädchenstimme meldete. »Es ist wichtig.«
Wider aller Erwartung verharrte Lok in Schweigen.
Er ließ nicht Hua Dinh Son aus dem polnischen Wolomin nach München kommen, um seine Stahlschlingenkunst auszuüben … Er brauchte ihn an anderer Stelle. Über die holländische Grenze bei Limburg kamen aus den heimlichen Labors in Nordbrabant Hunderttausende von Ecstasy-Pillen nach Deutschland, Belgien und Frankreich und überschwemmten den Markt. Wie gefährlich diese Konkurrenz war, illustrierte ein einziger Fall: Fahndern gelang es auf einen Tip hin, ein geheimes High-Tech-Labor auszuheben, bei dem allein an Grundstoffen für die Herstellung von Ecstasy Mittel im Wert von 23 Millionen Mark beschlagnahmt wurden. Die hergestellten Pillen waren von einer hervorragenden Qualität, bei weitem nicht so unsauber wie die polnische Ware. Auch die Namen hatten einen gewissen Reiz, vor allem bei den Jugendlichen: Adam, Eva, Spatz, Popey, Häuptling, Dino und Herzpfeil. Die Dealerkolonnen waren bestens organisiert, der Absatz ein Millionengeschäft. Lok erkannte es mit aller Klarheit: Wenn diese Ware bis nach Bayern vordrang, würde sie die Öko-Pyramide verdrängen. Die Gefahr wuchs mit jedem Tag.
Die vietnamesische ›Geschäftsleitung‹, in der Lok nur einer der Direktoren war und deren Sitz in Monaco lag, beschloß daher, Hua Dinh Son an die deutsch-holländische Grenze zu schicken. Man nennt solche Aktionen ›Marktbereinigungen‹ oder ›Konzentrationen‹ und sie gehören zum üblichen Management.
In Wolomin hatte Son seine Übungen im Keller wieder aufgenommen. Ein neuer Holzkopf war hinzugekommen, schmaler als die anderen, mit dünnerem Hals und einer langhaarigen Perücke auf dem Schädel. Ein Frauenkopf. Der unbekannte Anrufer hatte ihm den Tip gegeben, daß es möglich sein könnte, auch eine Frau dem ewigen Wind zuzuführen.
Son stellte keine Fragen, aber es widerstrebte ihm, Frauen mit eigener Hand zum Glück der Wiedergeburt zu verhelfen. Damals mit Nungjei war das anders gewesen. Son hatte sie nur ins Meer gestoßen. Daß sie nicht schwimmen konnte, war ihr Fehler gewesen. Er hatte sie, nach seiner Auffassung, nicht getötet, sondern ihr nur einen anderen Weg gewiesen.
Trotz einer inneren Abwehr begann Son mit den Übungen. Die langen Haare einer Frau stellten ein Hindernis dar. Sie waren wie ein Polster, das ein schnelles Zuziehen behindern konnte. Das aber war die Kunst des Blitztodes: kein Laut, kein Umsichschlagen, wie es bei Nichtskönnern vorkam, kein Aufbäumen, es mußte wirklich wie ein Blitzschlag sein. Ein Sekundentod. Bei Männern hatte Son noch nie Probleme gehabt, bei Frauen fehlte ihm jede Erfahrung.
Also üben, üben, üben! Ein schlanker, gebogener, längerer Hals braucht eine
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