Die Edda - Die Edda
Hinschlachtung der Söhne Erp und Eitil. 40 Gudrun verteilt den Königsschatz, um die Krieger zu beschwichtigen.
35. Das Alte Hamdirlied
A ls die Ostgoten von den Hunnen angegriffen wurden, gab sich ihr greiser König Ermanarich, am Widerstande verzweifelnd, selber den Tod. Dieses Ereignisses hat sich die Heldensage bemächtigt. Bei den Ostgoten in Italien erzählte man, als der Hunneneinfall drohte, sei das treulose Volk der Rosomonen (Roxolanen?) von Ermanarich abgefallen. Zur Strafe und Abschreckung habe er Sunhild, die Gattin eines Rosomonenfürsten, von wilden Pferden zerreißen lassen. Um ihre Schwester zu rächen, hätten ihn deren Brüder Sarus und Hammius überfallen und schwerer verwundet. Hieran sei er bald darauf gestorben. Die redenden Namen (»Sühnehild«, hama- und sarwa- gleich Rüstung) deuten darauf hin, daß diese älteste Fassung schon den Zug der gegen Eisen gefeiten Brünnen und also auch den Steinigungsbefehl enthielt und daher wohl auch den dritten Bruder Erp. Hierin können wir das ostgotische Urlied von Ermanarichs Tod erkennen.
Von den Ostgoten ist die Sage nach Oberdeutschland gekommen. Hier hat man sie mit der Wanderfabel von der sträflichen Liebe zwischen Stiefmutter und Stiefsohn verschmolzen und den Verräter Sibich (Bikki) eingefügt. Damit war der politische Rest verschwunden und die Form des klassischen Heldenliedes erreicht.
In Niederdeutschland hat man diese Sage in den Kreis der Nibelungensagen gezogen, indem man die Ermordete zur Tochter Sigfrids (Sigurds) und Kriemhilds (Gudruns) machte. Damit war die Stufe erreicht, die wir in dem spätestens um 800 entstandenen eddischen Hamdirliede vor uns haben.
Besonders der erste Teil dieses Liedes ist leider stark zerbröckelt. Aber
der Dichter von Gudruns Sterbelied hat ihn noch in einer besseren Form gekannt und für sein Werk benutzt. Hiernach können wir manches ergänzen.
Der eigentliche Gegenstand des Hamdirliedes ist die Rache der Brüder und ihr Untergang. Es setzt daher erst nach der Hinrichtung Schwanhilds ein. Von dem, was vorausgegangen ist, wird außer der Tötung Schwanhilds nur weniges flüchtig angedeutet. Für Hörer, die die Sage nicht kannten, mußte der Vortragende dem Liede daher eine kurze Erzählung in ungebundener Rede vorausschicken.
Genzmer
Als Gudrun Atli getötet hatte, ging sie ans Meer. Sie ging in die See und wollte sich töten. Es trieb sie über die Föhrde zum Lande König Jonakers. Er nahm sie zur Ehe. Ihre Söhne waren Sörli, Erp und Hamdir. Dort wuchs Schwanhild auf, Sigurds Tochter. Sie wurde Jörmunrek dem Mächtigen zur Ehe gegeben. Bei ihr war Bikki. Er riet dazu, daß Randwer, des Königs Sohn, sie nehmen sollte. Das verriet Bikki dem Könige. Der König ließ Randwer henken, aber Schwanhild von Rosseshufen zertreten.
Als Gudrun das erfuhr, da sprach sie ihre Söhne an.
1
(Das erfuhr ich im Volke
als die früheste Kunde -)
kein Ding war eher:
es ist doppelt so alt
wie Gudrun reizte,
Rache zu gewinnen,
wider Jörmunrek
ihre jungen Söhne.
2 Gudrun:
»Eure Schwester war
Schwanhild geheißen,
die Jörmunreks
Rosse zerstampften,
helle und dunkle,
auf dem Heerwege,
graue, gangschnelle
gotische Hengste.
3
Bin einsam worden
wie die Espe im Wald,
der Gefreundten beraubt
wie die Föhre der Zweige,
bar der Freude
wie ein Baum des Laubes,
wenn der Waldverwüster
kommt an warmem Tage.
4
Ihr nur bliebt übrig
von unserm Geschlecht,
verkümmerte Sprossen
nach der Könige Tode:
(Wenig gleicht ihr
Gunnar, dem kühnen;
rascher war Högni
zum Rachewerke.«)
5
Das sagte Hamdir,
der hochgemute:
»Weniger rühmtest du
das Werk Högnis,
als Sigurd vom Schlummer
die Gesippen weckten:
du saßest am Lager;
es lachten die Mörder.
6
Deine Bettlinnen,
die blauweißen,
troffen vom Tau
der Todeswunde;
da starb Sigurd,
du saßest beim Toten,
vergaßest der Freude
das war Gunnars Werk!
7
Atli wolltest du treffen,
mit Erps Morde
und Eitils Tötung;
doch ärger traf es dich!
Andern zum Unheil,
nicht zum eignen Verderben,
soll man verwenden
das wundenscharfe Schwert.«
8
Das sagte Sörli,
er war kluges Sinnes:
»Nicht will ich mit der Mutter
in Worten streiten;
eines doch blieb euch
noch ungesprochen:
was wünschst du nun, Gudrun,
das du nicht weinend empfängst?
9
Die Brüder beweine
und die blühenden Söhne,
die nahen Gefreundten,
die es in Fehde trieb!
Uns sollst du, Gudrun,
nun auch beweinen:
Tod ist uns bestimmt;
wir sterben in der
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