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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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andersrum. Das war der komplette Hegel in einem Satz, doch Borsig kannte keinen Bundesligaspieler namens Hegel – und, bei Gott, er kannte sie alle. Wer mit einem solchen Gedanken erwacht, hat ein Problem. Es ist entweder jung und knackig und liegt neben einem im Bett – oder es ist ein krisenfester, gutbezahlter, durchaus angesehener Job. Scheiße, dachte Borsig. Ich hab da zwei Probleme auf einmal.
    Irmi erwachte wie schon seit Jahren mit einem Hauch von Eigelbgeschmack auf der Zunge und am Gaumen. Sie verweigerte abends grundsätzlich die intensive Zahnreinigung, wozu haut man sich das Zeug rein, wenn man nicht mit diesem Geschmack einschlafen will, wegdämmern in einer Wolke aus Alkohol und Eiern. Ein paar Minuten lang blieb sie liegen und erfreute sich am Gleichmaß der ehemaligen Küchenuhr, die nun an der Wand des Schlafzimmers ihre Zeiger im Kreis herum schob wie Herr Vettel seinen Boliden, nur viel eleganter, ruhiger, souveräner. Sie würde heute zur Bank gehen, um zu schauen, ob ihre Pension pünktlich eingetroffen war. Natürlich war sie das, aber es bereitete Irmi ein schelmisches Vergnügen, den netten jungen Bankburschen mit der Frage zu nerven, ob sich auf ihrem Konto alles ordnungsgemäß bewegt hatte, das konnte man doch von einem Bürokratenstaat erwarten, wenigstens das, und der nette junge Bankbursche würde verständnisvoll nicken und sich denken, ich zahl deine Pension, du altes Stück, aber warte mal, bis die Rentenversicherung weiter steigt, dann könnt ihr was erleben, wenn ihr dann noch lebt.
    Danach könnte man die geldlose Kommune Antonio Gramsci aufsuchen – was eigentlich pervers war. Sie, die Pensionärin mit dem gefüllten Konto, ehemals eine Antikapitalistin reinsten Wassers, unternimmt einen Ausflug zu den ergrauten Idealisten, die irgendwo im vorstädtisch Ländlichen ihren bescheidenen Tauschgeschäften nachgingen, den Acker bestellten, das Vieh versorgten, Ketten aus Holzperlen fertigten und auf alternativen Märkten gegen Nudeln und alte Karl-Marx-Gesamtausgaben verhökerten. Neoliberalismus meets Steinzeit. Ok, auch Irmi hatte durch die Finanzkri se Geld verloren, ein wenig zu gierig gewesen, aber nicht viel. Der Gedanke daran machte sie jetzt wütend. Sie blieb noch eine Weile liegen, ihr Puls beschleunigte. Arschloch, dachte sie und meinte sich selbst. So aufzufallen, nur weil fünf Prozent mehr sind als vier Prozent.
    Es klingelte an der Haustür. Nanu? Zwanzig nach sieben? Der nette Moritz war seit Wochen der erste gewesen, der sie besucht hatte, doch nicht so früh! Außerdem weilte der gerade außer Landes. Die schöne, stolze Kasachin? Unwahrscheinlich. Hermine oder das kleine Männchen mit der Fußballmütze? Ach geh, die würden höchstens anrufen. Ich bleibe einfach liegen und mache nicht auf, entschied Irmi. Gute Entscheidung. Denn wer immer geklingelt hatte, nahm Irmi auch das Öffnen der Tür ab. Konnte man deutlich hören, wie das alte Holz ächzte und die Scharniere, deren letzte Ölung schon lange zurücklag, sich aufführten wie eine rollige Katze. Wenigstens akustisch. Ach, du lieber Gott, dachte Irmi, Einbrecher. Ich tue so, als würde ich schlafen. Wertsachen hab ich nicht viel, liegt alles im Banktresor, der ganze Familienschmuck. Das bisschen Geld halt, na ja. Ob es mir ein Investmenthai wegnimmt oder so kleine Ganoven, die aus der Unterschicht kommen und Opfer des Bildungsschiefstands hierzulande sind – was ist wohl besser? Vergewaltigen werden sie mich auch nicht, kann ihnen niemand verdenken.
    Jetzt machten sie die Tür leise hinter sich zu. Irmi hielt die Luft an. Wenigstens konnte sie nicht behaupten, ihr Leben sei langweilig gewesen. Nein, nein, war es eigentlich nie. Und möglicherweise stand sie gerade kurz davor, ihr Leben turbulent zu beenden.

177
    Immer noch böses Erwachen

    Oh nein, dachte Oxana, er rumort wieder. Wälzt sich mit dem Geräusch einer Panzerkette durch das Haus und sucht die Inspiration wie unsereiner Salzstreuer oder Lesebrille. Sie lag da und starrte gegen die Decke. Zum ersten Mal überlegte sie sich, ob es nicht umgekehrt war und die Decke gegen sie starrte. Suchte einen positiven Satz, so wie jeden Morgen. Einen Satz, für den sich das Aufstehen lohnte, so etwas wie »Heute verändert dein hammermäßiges Karma die Welt zum Besseren.« Schwer zu finden, meistens, heute hoffnungslos.
    Er zog seine Kreise enger, kam ihrer Tür immer näher, würde davor stehen bleiben und warten, käme nicht herein. Das war tabu. Er

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