Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
hüstelte gekünstelt, also auch dabei ganz Künstler, murmelte etwas, seinen positiven Satz. Sie seufzte, sehr leise. Musste sein. Schlug die Bettdecke zurück, sah hinunter, dorthin, wo das kurze Nachthemd endete und die Nacktheit begann. Ich trage ein Nackthemd, dachte sie und lächelte. Stand schließlich auf, machte Geräusche, die Schritte draußen stoppten jäh. Oxana ging auf bloßen Füßen zur Tür, öffnete sie, er stand vor dem Schränkchen im Flur und tat so, als befinde sich darin, zwischen allerlei Krimskrams, die göttliche Kreativität des Dichters, man musste nur zugreifen, die Haarbürste – in einer epochalen Odyssee hier gelandet – ein wenig zur Seite schieben, das devine Geschenk herausholen.
    Er beachtete sie kaum, das war ungewöhnlich, nein, das war höchst merkwürdig. Sonst delektierte er sich an ihrem Anblick, der Nacktheit im kurzen Hemd, der Nacktheit darunter, das war ihr Job, dafür wurde sie bezahlt, das brauchte er zum Schreiben wie die Syntax, den Wortschatz, das Fremdwörterlexikon, den starken Kaffee, die Zigaretten. Heute nicht? Heute nicht. Er war verwirrt, schwitzte gar. Sie blieb in der Tür stehen, dachte: Er hat sich an mir satt gesehen. Er sucht sich in Gedanken schon eine andere, eine Schwarze vielleicht, eine Asiatin, eine Third-World-Experience, was weiß denn ich. Gut so. Schade drum.
    Er richtete sich auf, sah sie an, schüttelte den Kopf, sagte dann, leise und ungläubig: »Sie ist zurück. Sonja ist wieder da. Sie liegt in ihrem Bett und schläft.«

    Der harte Job des Nichtstuns

    Wer nicht gesehen werden möchte, darf sich nicht verstecken. Vika machte sich keine Sorgen, Moritz würde entdecken, dass sie ihm folgte. Selbst in der morgendlichen Stadt fühlte sie sich sicher, 30 Meter hinter Klein, kaum jemand sonst unterwegs, nur ein paar Typen von der Stadtrei nigung und einer, der vier tote Ratten auf einem großen Kehrblech vor sich her trug.
    Klein betrat eine Bäckerei, die Frühstück an Stehtischen anbot. Er trank Kaffee, futterte drei süße Teilchen, ließ sich ein Sandwich zum Mitnehmen machen. Vika wartete geduldig im Hauseingang gegenüber.
    Wieder ließ sie ihm 30 Meter Vorsprung, bevor sie aus ihrem Versteck schlüpfte. Der Himmel war bedeckt und voller Möwen. Klein schlenderte durch enge Gassen, es sah so aus, als ginge er einem festen Ziel entgegen und tatsächlich, er blieb jetzt stehen. »Les Saints«, ein winziges Restaurant im Erdgeschoss, darüber Zimmer für Gäste.
    Klein begann zu rauchen, auf und ab zu gehen. Vika, hinter einem Brunnen versteckt, den eine steinerne Meerjungfrau mit Wasser vollspuckte (nur von Mai bis August, Touristenzeit), sehnte sich nach einer Zigarette und wartete ebenfalls. Watching the Detectives fiel ihr ein, Elvis Costello. Sie summte die Melodie, wartete, tat nichts sonst.
    Irmi tat nichts sonst als zu warten. Die Typen tappten gerade durch die Küche und unterhielten sich leise, einer von beiden (es mussten zwei sein) lachte. Dann kamen die Schritte näher. Und ich trag diesen albernen Schlafanzug im Bett, was sollen die Herren Verbrecher nur von mir denken.

178
    Albernerweise erinnerte sich Irmi an einen Slogan aus alten Zeiten. »Für ein dünnes Butterbrot schlägt er seine Mutter tot«, auf einem Transparent gegen die Kapitalistenschweine, damals nach dem Attentat auf Rudi. Sie war gewiss nicht die Mutter der beiden Typen, die gerade vor ihrer Schlafzimmertür standen, aber deren Sinne standen auch bestimmt nicht nach dünnen Butterbroten. Es klopfte sachte, fast zögerlich an die Tür und Irmi, gut erzogen, sagte mit fester Stimme: »Herein«.
    Hermine sagte »Tschüss«. Das musste sie, das war kundenorientierte Freundlichkeit, das stand sogar in ihrem Arbeitsvertrag. Sie zog mechanisch junge Erbsen und Schokoriegel über das Scannfeld, pieppiep, sie hörte es schon gar nicht mehr. Eingeschweißtes Brot von vorgestern, halber Preis, dazu Butter mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, ebenfalls hal ber Preis: Da wusste man, mit wem man es zu tun hatte. Aber normalerweise war es Hermine egal, was die Leute einkauften. Sie musste nur darauf achten, wann Samstag war, denn dann musste man den Kunden »Schönes Wochenende« wünschen, gar nicht zu reden von den hohen Feiertagen, die gemäß Arbeitsvertrag ein »Frohe Weihnachten, frohe Ostern, Prost Neujahr« verlangten. Jeder Kundenkontakt begann mit einem »Guten Morgen«, einem flüchtigen Blick in ein sofort wieder verschwundenes Gesicht, dann Kopf etwas

Weitere Kostenlose Bücher